Ein Standortmarketing für Duisburg
Jedes Marketing beginnt mit einer möglichst vorurteilsfreien Analyse dessen, was zu vermarkten wäre, falls denn ein Marketing überhaupt erwünscht ist, nicht nur die Verbreitung von relativ beliebigem Geschmack und einer Fantasie. Mich interessiert vor allem ein wirtschaftlich relevantes Standortmarketing, das sich auf Plausibilität stützt, nicht auf einen Alltagswahn.
Die Stadt Duisburg sucht seit einigen Wochen Anregungen durch ihre Bürger, reist durch Stadtbezirke und zeigt sich interessiert an: „Ihre Ideen – unsere Stadt“. In Kontakt mit den Bürgern zu treten, ist für eine Großstadt durchaus ein feiner Zug, auch um Rückmeldungen für ihr eigenes Tun zu bekommen, doch die Erfahrungen mit der hiesigen Stadtverwaltung und Politik sind nicht immer die besten gewesen. Von einigen Pressebesuchern war zu hören, dass mehr Offizielle die bisherigen Termine wahrnahmen als angesprochene Bürger. Um einen möglichen Dialog zu beginnen, ist es jedoch nicht zu spät.
Laut Sören Link, Oberbürgermeister in Duisburg, soll die Aktion einen konkreten Nutzen einbringen. Die Stadt will Anregungen für eine ‚positiv besetzte Marke‘ sammeln. Und seine Stabschefin, Birgit Nellen, spricht mit Bezug auf die Aktion von der Schaffung eines Leitbilds, das Wegbereiter und Orientierungsrahmen nach innen und außen werden soll.
Wäre eine Ansammlung von ‚Ideen‘ ein geeignetes Vorgehen, das Auskunft darüber geben könnte, wie eine Marke entstehen könnte, oder ein Orientierungsrahmen? Beides sind übrigens verschiedene Sachen: Eine Marke wird bestenfalls anhand eines Alleinstellungsmerkmals ausgebildet, ein Orientierungsrahmen, vor allem für die Verwaltung, ist eine durch und durch bürokratische Angelegenheit.
Derzeit gibt es eine Broschüre der Stadt, die noch herunterladbar ist: „Duisburg – discover the difference“, vermutlich aus dem Jahr 2006, von der Duisburg-Marketing-Gesellschaft erstellt. Bereits dieser Hochglanzprospekt bot und bietet nicht mehr als eine Ansammlung heterogener ‚Highlights‘, die sich durch verschiedene Themen drängen, unabhängig davon, ob sich dies sachlich begründen ließe. Im Vordergrund steht der digitale Glanz, und dieser bemüht sich eifrig darum, farbig zu knallen.
Ein relevanter Unterschied, ein Alleinstellungsmerkmal, ist in der Broschüre nicht zu finden. Es wurde lediglich gesammelt. Präsentierte Industriedenkmäler sind für die gesamte Ruhrregion typisch. Eine Fokussierung auf ‚Kultur‘ wirkt sonderbar, wenn sich nichts künstlerisch Herausragendes finden lässt, das publikumswirksam und repräsentativ für die Stadt Duisburg sein könnte. Freizeitmöglichkeiten zu betonen, könnte sogar Spott begünstigen, wegen der relativ hohen Arbeitslosigkeit in Duisburg. Hochglanz durchaus, jedoch ohne Einbindung in ein erkennbar plausibles Konzept. Ein relevanter Unterschied zu anderen Städten, auf den man dem Titel nach pocht, ist nicht auszumachen.
Die Alternative, die ich skizzieren möchte, hat kaum eine Chance zu gefallen. Sie rüttelt an einem Selbstbild, das eventuell primär durch Naivität geprägt wurde.
Es ist in Duisburg durchaus bekannt, dass Wasser ein zentrales Thema ist, die Formulierung ‚an Rhein und Ruhr‘ ist geläufig, zudem wären Emscher und Rhein-Herne-Kanal anzuführen, denen lediglich ein Schattendasein zuerkannt wird. Im ehemaligen Innenhafen wurde das Thema Wasser gestalterisch aufgegriffen, und der europäische Binnenhafen und Logistic-Port ist ohnehin bekannt, zumindest dem Hören-und-Sagen nach. Besonders anzuführen wäre noch die Sechsseenplatte im Süden der Stadt. Die Anzahl der Brücken in der Duisburg übersteigt sogar die von Venedig.
Und weil Wasser und Brücken auch innerstädtisch verbinden, besonders im Hinblick auf den Rhein, könnte ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter Duisburgern, Politiker einbezogen, entstehen, das eine Basis für ein verstärktes Miteinander bilden kann. Aus linksrheinischen Stadtteilen gab es in der jüngeren Geschichte immer wieder Bestrebungen, sich von Duisburg zu lösen, weil man sich nicht hinreichend vertreten sah. Wasser, ließe sich überspitzt formulieren, ist in Duisburg auch politisch orientiert, besonders das Wasser des mächtigen Rhein.
Sowohl im ehemaligen Innenhafen als auch im Binnenhafen ist das Thema Arbeit assoziativ präsent, in beiden Fällen sogar als Arbeit in modernisierter Weise. Der Binnenhafen hat eine industriell technologische Entwicklung hinter sich, der ehemalige Innenhafen eröffnete in zentraler Lage der Dienstleistungsbranche eine Chance. Beides ist für Duisburg durchaus etwas Neues, aber kein Alleinstellungsmerkmal. Im Hinblick auf Arbeit wurde lediglich aufgeholt. Arbeit ließe sich nur als Randthema von ‚Wasser‘ vorbringen.
Im Rahmen des Themas Wasser ließ sich auch sekundär über Freizeit sprechen, z.B. unter Bezug auf den Wedauer Süden.
An dieser Stelle breche ich bewusst ab. Zu erläutern war, dass Wasser als Thema die Stadt zentral betrifft, auch brisante innerstädtische Bereiche wie Politik und Arbeit berührt. Hinsichtlich eines Orientierungsrahmens wäre hingegen zu fragen, wie sich unter Berücksichtigung dieses Themas die innerstädtische Infrastruktur gestalten ließe.
In den aktuellen Umbaumaßnahmen des Bahnhofvorplatzes wurde übrigens auch das Thema Wasser berücksichtigt. Fontänen und ein Becken werden u.a. entstehen. Planerisch ist das Thema durchaus längst präsent. Aber es scheint schwer zu fallen, Wasser thematisch ins Zentrum des Marketings zu stellen. Lieber orientiert man sich an bestenfalls durchschnittlichen Resultaten eines städtischen Kulturengagements, ein Engagement, für das keine Mittel vorhanden waren und sind.