Athen, Dortmund, Mülheim, Duisburg … aus der Finanzkrise in die Demokratiekrise?
Zu Ende der Weimarer Republik wurde dauernd neu gewählt, die Regierungen entwarfen immer neue Notverordnungen und die Bevölkerung wandte sich immer weiter von den demokratischen Parteien ab. So war dann der Übergang zur Nazi-Herrschaft fließend. Die schafften dann die Demokratie schnell ganz ab.
Manche Vorgänge in Europa und auch in Deutschland erinnern an die letzten Jahre der Weimarer Republik. Das Erstarken rechtsextremer bzw. stark ausländerfeindlicher Parteien in Frankreich, Holland, Belgien oder Finnland muss zu denken geben. Doch die zunehmende Unfähigkeit demokratischer Parteien, Probleme zu lösen, ist genauso bedenklich wie die immer häufigere Gesundbeterei , das Vertuschen von Problemen oder das Leugnen von Fehlern, von dem sog. Fiskalpakt ganz zu schweigen, mit dem die Parlamente fast aller EU-Länder gleichzeitig entmachtet werden sollen.
Die Glaubwürdigkeit der gesamten demokratischen Politik ist bereits bedenklich angegriffen, quer durch viele Bevölkerungsschichten.
In Griechenland bricht z.Zt. Panik aus. Die Anfang Mai gewählten Parteien können dort keine mehrheitsfähige Regierung bilden, ohne dass nicht mindestens eine ihre Wahlversprechen diametral verraten müsste. Nun kommen Neuwahlen im Juni, und dann? Im Mutterland der Demokratie hat sich eine gigantische Verschuldungskrise aufgetürmt, weil niemand sich über Jahre an den manipulierten, falschen Bilanzen störte, weder die Parteien in Athen, noch die Eurokraten in Brüssel oder andere EU-Regierungen aus der Eurozone. Der Ruf wird immer lauter, eine Technokraten-Regierung wie in Italien einzusetzen und die Wahlen und Wähler einfach außer acht zu lassen. Demokratie ade?
Die Stadt Dortmund muss die Kommunalwahlen nun nach dem BGH-Urteil doch neu durchführen wegen des „Wahlbetrugs“, besser Wählerbetrug, mit dem Verschweigen der wirklichen Verschuldung, die dann ex-OB Langemeyer 1 Tag nach der Wahl verkündete . Dann wurde nur OB Sierau neu und erneut gewählt, mit dem fast gleichen Ergebnis. Nun der ganze Stadtrat und alle bis auf eine Bezirksvertretung, weil es 3 Jahre dauerte, bis die Widersprüche von 2 SPD-Ratsherrn bis zum BVG ausgeurteilt waren. Der dann erneut gewählte Rat besteht aber nur noch 2 Jahre, während der „unrechtmäßige“ 3 Jahre tagte und Beschlüsse fasste. Alles kein Ruhmesblatt für die Demokratie. Auch die Glaubwürdigkeit kann so nur weiter sinken.
Und nach der Wiederholungswahl? Glaubt denn jemand noch, dass die Verschuldung Dortmunds dadurch auch nur reduziert wird? Der ehemalige RP aus Arnsberg, der die Finanzaufsicht noch ernst nahm, ist seit den Landtagswahlen 2010 weg vom Fenster und durch einen SPD-Mann ersetzt. In Dortmund selbst wird u.a. beim Millionengrab des U-Projekts einfach weiter gemacht wie einst Olympia bei den Griechen, genau wie Langemeyer sein Lieblingsprojekt des irrwitzig teuren Phönixseeprojekts vor seinem Abgang noch schnell ohne jegliche Abstriche absicherte uswusf…
Auch in Mülheim wurde die wahre Verschuldung nachweislich im Wahlkampf 2009 verschwiegen! Vgl. dazu aus Okt. 09 „Wahlbetrug in Dortmund wegen Verschweigens der Haushaltslöcher! In Mülheim der Dauerzustand“!!!
Nur wen stört/e es? Die Finanzaufsicht des RP anscheinend am allerwenigsten. Mit der neuen Präsidentin Lütges (Grüne, seit 2010) stört/e sich der RP sogar noch weniger an dem ungeheuerlichen Finanzgebaren der Heimatstadt der Ministerpräsidentin. Der Haushalt 2010 wurde sogar erst Ende 2010(!) verabschiedet, doch die Aufsicht nahm diese Farce wortlos hin, wohlwissend, dass die Stadt Mülheim das tat, einzig um trotz explodierender Verschuldung formal noch länger nicht im Nothaushalt zu sein und ihre heiligen Kühe wie Ruhrbania, stadtgeschichtliches Museum, Stadion, Gutachteritis, neue Pöstchen etcpp. nicht zu gefährden durch irgendwelche Gesetze oder Haushaltsvorschriften. Doch selbst als die Stadt Mülheim dann seit April 2011 auch formal (und für das abgelaufene 2010 sogar nachträglich!) Nothaushaltskommune wurde, wurde alles weiter gemacht wie gehabt., ohne Abstriche. Der im Juli 2011 beschlossene Luxussportplatz in Heißen z.B. soll über den Verkauf von 4 anderen Plätzen finanziert werden, was im Nothaushalt eindeutig nicht erlaubt ist. Nach langer „Prüfung“ genehmigte der RP auch das kurz vor den Landtagswahlen, wobei er Monate vorher wegschaute, als bereits Millionen im Vorgriff für den Grundstückskauf an der Hardenbergstr. ausgegeben wurden trotz Nothaushalts. Und so wachsen die Etatlöcher und die Kassenkredite exponenziell und niemand zieht eine Notbremse – bis dann demnächst die historisch tiefen Zinsen steigen. Dann wird es bitter, weil die Schuldenberge sich ins Unfassbare aufgetürmt haben. Dann helfen auch keine Neuwahlen, egal wie oft, sondern mehr Ehrlichkeit und Rückkehr zu seriöser Haushaltsführung als Grundvoraussetzungen, weniger Günstlingswirtschaft und wirkliche Einbeziehung der betroffenen Bürger, aber auch der Mut, Fehler einzugestehen und Prestigeprojekte zu kappen oder gar einzustellen.
In Duisburg ist der Neuanfang nach der Sauerland-Abwahl bisher leider nicht in Sicht. Auch dort, genau wie in Krefeld usw., wurde vor den Wahlen 2009 nicht die wahre Verschuldung offengelegt.
Man konnte sich jetzt nicht einmal zur OB-Neuwahl auf Gemeinsames einigen. So tritt fast jede Partei mit eigenem Kandidaten an und ein breit getragener Konsens zur Lösung der Riesenprobleme ist nicht erkennbar, im Gegenteil: Heftiger werdende Verteilungskämpfe sowohl innerhalb der Stadt als auch mit Nachbarstädten wie Mülheim o.a., siehe FOC-Pläne Hamborn/Marxloh oder die gigantischen Möbelhauspläne für das Zeusgelände in Obermeidrich, aber auch der tödliche Konkurrenzkampf über neue Luxuswohngebiete wie etwa Haus Hartenfels oder DU-Rahm usw. hier und Ruhrbania oder die ex-Jugendherberge dort uswusf. nehmen zu. Der Großteil der Bevölkerung ist völlig außen vor, außer wenn die Menschen aus billigen Wohnungen vertrieben werden sollen wie für das FOC.
Die Krise der Demokratie beginnt immer unten, in den Kommunen. In vielen Ruhrgebietsstädten, aber auch anderswo, stehen die Zeichen auf Sturm.
Dem Ruhrgebiet hilft nur noch wirkliche interkommunale Zusammenarbeit und Arbeitsteilung, aber keine höchstens additive wie bisher. Doch die Bereitschaft der einzelnen Kirchtürme, auch nur 1 cm abzugeben, ist kaum erkennbar.
Die Demokratie steckt bereits in einer dicken Krise, was u.a. der kometenhafte Zuwachs der Piraten zeigt, ohne dass diese sich in wesentlichen Punkten auch nur positioniert haben. Doch das reicht bei weitem nicht bei den aufgetürmten Riesenproblemen insbesondere der Ruhrgebietsstädte. Noch sind die Zeiten zumindest in Deutschland günstig, weil Wirtschaftsboom und Niedrigzinsen. Das kann sich aber schneller ändern, als vielen lieb sein wird.
L. Reinhard, MBI-Fraktionssprecher