Zeit, die Zukunft zu küssen: 4. Cologne Web Content Forum in Köln
Reichliche Anregungen und in die Tiefe gehende Debatten bot das 4. Cologne Web Content Forum in Köln zum Thema „Inhalte im Internet“. Dabei reichte die Bandbreite von der Netzneutralität über die Frage nach dem Mikropayment für Qualitätsinhalte bis zur Erfolgsmessung im Social Web. Der heimliche Leitfaden des Forums: Das Leistungsschutzrecht.
Thorsten Knüwer: „Die digitale Realität hat Star Trek längst überholt“
In fünfzehn Minuten unterhaltsam durch die Medienkompetenz-Entwicklung des eigenen Lebens zu führen war für Keynotesprecher Thorsten Knüwer kein Problem. Dabei diente der erste Teil seines Vortrags allerdings nur zur Verdeutlichung, wie schnell sich in knapp 20 Jahren die Technik fortentwickelt hat. „Das Zeitalter des Content“ fasste dabei die Grundthesen Knüwers elegant zusammen, Seitenhiebe auf aktuelle Vorfälle im Journalismus inklusive. Während die heutige Generation noch von der Technik fasziniert gewesen sei, werde die nächste Generation von den Inhalten fasziniert.
Genau aber hier sieht Knüwer ein Problem: Denn digitale Inhalte und Deutschland – das passe einfach nicht mehr zusammen. Während man bei der Nanotechnologie noch führend sei, in der Biotechnologie noch nicht so ganz entschieden – will man sie nun oder nicht? – ist die Schaffung und Förderung von digitalen Inhalten, die wiederum Arbeitsplätze bedeuten könnten, in Deutschlands Politik nicht angekommen. Vor allem aber – und hier gerät Thorsten Knüwer richtig in Fahrt – seien es die Verleger, die den Fortschritt im digitalen Bereich hemmten.
„Es gibt kein massenhaftes Raubkopieren journalistischer Inhalte im Internet!“ Einzelfälle, ja, die möge es geben. Diese Generalthese des massenhaften Raubkopierens aber entbehre jeglicher Beweisführung – „und einen Online-Journalismus gibt es in Deutschland nicht.“ Die plakative zugespitzte Behauptung sitzt, wenngleich natürlich auch hier eingewendet werden kann, dass es am Beweis doch mangelt. Ein Bild aus der Geschichte holt Knüwer dann gegen Schluss der Keynote hervor: So wie damals der Fortschritt von den Stahl- und Kohle-Ruhrbaronen abgeblockt worden sein, so werde heute der Forschritt von deutschen Zeitungsverlegern geblockt.
Am Ende dann noch mal das Thema Netzneutralität – dies werde in Deutschland viel zu wenig ernst genommen. Überhaupt fehle bei Netzangelegenheiten das Regulativ der Politik. Knüwer schließt mit dem Appell, dass man um das Internet mit den Waffen des Internets kämpfen müsse. Konkrete Antworten oder Problemlösungen? Diese, so gesteht Knüwer offen ein, habe auch er nicht. Amüsant und unterhaltsam war die Keynote dennoch – auch wenn dem Ein oder Anderen, der die Aktivitäten des Ex-Handelsblatt-Journalisten in seinem Weblog verfolgt, das Ein oder Andere bekannt vorkam.
Von Videorecordern, Hollywood und Leistungsschutzrechten: Matthias Spielmann
„Bekanntlich wissen wir alle, dass Hollywood nur noch ein Schatten seiner selbst ist.“ Denn, so Matthias Spielmann, Projektleiter bei iRigths.info in seinem Vortrag zu Beginn des ersten Panels. Natürlich sei dies nicht der Fall, aber Spielmann greift auf diese historische Debatte zurück um einige Dinge zu verdeutlichen – Parallelen zum aktuellen Perlentaucher-Urteils-Verfahren waren dabei offensichtlich. „Eine konkrete Diskussion allerdings über das Thema ist schwierig, da noch kein Gesetzesentwurf vorliegt“, so Spielmann, obwohl das Schutzrecht im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden sei. Daher müsse man das Thema auf der Metaebene angehen.
Diese Metaabene blieb auch während der nachfolgenden Diskussionen bestehen – obwohl man sich nämlich sehr bemüht hatte Befürwörter für das Leistungsschutzrecht der Verleger als Diskutanten auf die Bühne zu bekommen, sei man abschlägig beschieden worden. So konnten dringende Fragen nach genauen Details des Ganze leider nicht beantwortet werden – obwohl sich Dr. Michael Littger, Europajurist des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V., sowie Hanna Seifert als Leiterin des Ressorts Politik beim eco e.V. als Partner von Spielmann sich reichlich bemüht zeigten die Brisanz aufzuzeigen. Ebenso wie die der Netzneutralität. „Die vorhandene Internetarchitektur wird durch das Leistungsschutzrecht illegalisiert,“ sagte Dr. Matthias Littger, BDI. Die Frage nach der Gewerblichkeit oder nach der Lizenzierung von Snippets, geschweige denn ob Blogger nun ihre Inhalte ebenfalls lizenzieren können dürfen oder nicht – diese Fragen harren noch einer konkreten Beantwortung. Die Politik berate wohl momentan einige Gesetzesentwürfe, bisher liege aber nichts Konkretes vor. Der Kommentar des Twitterers Christoph Bruggisch brachte die Sache auf den Punkt: „Die ganze Idee des Leistungsschutzrechts ist so grotesk, dass man sich nur wundern kann, warum überhaupt darüber diskutiert wird.“
Ulrike Langer: „Ich glaube, wir {die Teilnehmer} schieben uns bei Flattr und Kachingle die Gelder gegenseitig abwechselnd zu.“
Eine Reise durch die Welt der verschiedenen Bezahlsysteme – angefangen von Flattr, über Crowd-Founding bis hin zur Stiftung – eröffnete das Panel, das eigentlich in erster Linie die Frage nach dem Bezahlsystem für Qualitätscontent erörtern sollte. Ulrike Langer führte zu Beginn durch das Thema, ihr gesellten sich dann als Diskutanten hinzu Hans-Joachim Fuhrmann von der Geschäftsleitung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, Romanus Otte, General Manager der WELT ONLINE sowie Dr. Niko Waesche, Autor und Gründer des German Media Pool. Währen Ulrike Langer von der Anfangseuphorie bei Kachingle und Flattr abgewichen ist, ist ein Buchprojekt von ihr immerhin schon an die 600 Mal vorbestellt worden – obwohl das Buch noch nicht erschienen ist. Dies ist ein Beispiel für eine gelungen Crowdfinanzierung. Recht bald aber verlagerte sich die Diskussion auf die Printmedien und deren Bezahlmodell für Apps. Mit konkreten Zahlen darüber, wieviele HD-WELT-Apps-Abos man tatsächlich verkauft habe hielt sich Romanus Otte zurück, erwähnte nur, die App sei 180.000-mal heruntergeladen worden. Allerdings: Die App sei für eine gewisse Zeit kostenfrei – ebenso wie bei The Daily sage der Download also an sich relativ wenig aus. Deswegen müsse man ja auch auf die Umsatz-Zahlen schauen. „Da liegen wir immerhin vor Angry Bird“, so Romanus, der sich die Charts vorher noch angesehen habe.
Generell aber, so waren sich die beiden Old-Media-Vertreter einig, sei man Apple durchaus dankbar für die Möglichkeit – betrachte jedoch auch die sehr sportliche Seite. Es gäbe da noch Verbesserungsbedarf bei dem Thema Abonnements durch Apps. Die Abbrecherquote bei Google Onepass dagegen sei schon frappierend. „Apple,“ so Romanus Otte, „hat immer für Cash gestanden, während Google dagegen immer auf dem Free beharrte.“ Googles Android-System sei allerdings auch komplizierter als Apples iOS. Ob man nun die armen Programmierer, die sich mit Frodo und Honeycomb herumschlagen müssen nun bedauern muss – viel hätte hier bei Otte nicht gefehlt. Immerhin: Relevant, ja, das sei das Geschäft mit den Applikationen für den Springer-Konzern schon.
Die Äußerungen von Hans-Joachim Fuhrmann – die man leider kaum verstand, da der Vertreter des BDZ das Mikrophon als Gestikulier- aber nicht als Verstärkerwerkzeug nutzte – sorgten für Unverständnis und überraschten die Zuhörer: „Wir brauchen keinen Heilsbringer, wir erwirtschaften gute Renditen.“ Offen ließ Fuhrmann allerdings ob er dies a) insgesamt oder b) nur für Print oder c) nur für Online meinte. Da die Diskussion sich allmählich mehr und mehr ums Thema Leistungsschutzrecht drehte, widersprach sich Fuhrmann nur wenig später, als er von Zuschauern zu diesem speziellem Thema befragt wurde. Aber: „Digitalisierung ist das wunderbarste, das Verlagen passieren konnte.“ Je weiter Fuhrmann allerdings in die Materie Leistungsschutzrecht drang, desto gestikulierender wurden seine Bewegungen. Und es fielen dann Sätze wie „Wir wollen nicht mehr als eine rechtliche Grundlage gegen ungenehmigte Nutzung von Inhalten.“ Dass es diese allerdings bereits mit dem Urheberrechtsgesetz gibt – und dass Verstöße dagegen wohl geahndet werden – scheint nicht bei Fuhrmann angekommen zu sein. Generell kam man hier auch nicht recht weiter mit dem Bestreben, weitere Fakten zum Leistungsschutzrecht zu erfahren – weder von Herrn Otte, noch von Herrn Furhmann gab es Klarheit in ihren Erklärungen. Aber: Das Thema werde alle noch weiter beschäftigen.
„Der böse Kunde will auf einmal mitreden. Noch schlimmer, er hat eine eigene Meinung und äußert diese!“
Nils Hache, der diese Sätze in seinem Vortrag darbot, leitete das letzte Panel ein – Performance 2.0. Reichweiten, Erfolgsmessung und vom Umgang mit Feedback im sozialen Netz war dies betitelt. Zusammen mit Nils Hache von Denkwerk diskutierten Christian Buggisch, Leiter der Online-Kommunkation von DATEV, Alexander „Podpimp“ Wunschel von markendreiklang und Thorsten Deutrich von DACH Contendo miteinander. Zwei Dinge blieben besonders aus dem Impulsvortrag von Hache hängen: Erstens die Aufforderung, authentisch zu bleiben. Zweitens die Aussage: „Das virale Marketing ist tot.“ Oder zumindest sei gelungenes virales Marketing zum Großteil auch – nun – gestellt.
Dabei gleitete die Diskussion vom eigentlichem Thema mehr und mehr zu generellen Social-Media-Fragen herüber. Zahlen könnte man schließlich ja mit Software bemessen. Ob man aber nun mit 140 Fans oder doch 130.000 bei Facebook besser bedient sei, sei auch eine Frage dessen, was man sich selbst als Ziel setzte. Ebenso kam ins Spiel, dass man sich natürlich mit diversen Diensten eine Menge Freunde bei Facebook kaufen könne – doch wäre es besser, die Meinungsträger, die Kundenbotschafter zu erreichen.
Manchmal, so Alex Wunschel, sei es auch opportun einfach mal die zweite Maus zu sein. Und abzuwarten. „Meistens sind alle Kanäle durchdekliniert, es fehlt aber der originelle Inhalt.“ Eine Versicherung, die einen eine Berufsunfalls-Versicherung verkaufen möchte – da müsse man auf Facebook und Twitter andere Wege finden, andere Verpackungen. So wie die Allianz sich das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben habe. Immerhin: Bei der Frage wer im Raum persönlich bei Facebook sei, bekam Nils Hache eine 99% Antwort – bei denen, die für Unternehmen die Fanseiten betreuen würden waren es im Raum an die 30%.
Content ist King – Social ist Kong
Wenn das 4. Cologne Web Content Forum eines gezeigt hat, dann vor allem dies: Das Leistungsschutzrecht für die Verleger ist ein Konzept, welches viele Fragen offen lässt und für viel Verunsicherung sorgt. Dass sich keine Befürworter auf dem Themen-Panel einfanden war sicherlich bezeichnend. Klarheit konnte von Seiten des BDZ nun auch nicht in die Sache gebracht werden. Hier besteht dringender Klärungsbedarf, der darin bestehen muss konkrete Details und Fakten auf den Tisch zu legen. Ansonsten dreht sich die Metadiskussion nur wiederum im Kreis.
Dass die Frage nach einem einheitlichem Bezahlmodell für Qualitätsinhalte nicht beantwortet werden konnte, hat mit Sicherheit auch kein Besucher des Forums erwartet. Hier hat Apple allerdings eindeutig gezeigt, wie es gehen könnte – ein Zusammenschluss der Verleger zu einem gemeinsamen großen Zeitungskiosk ist jedoch wohl kaum zu erwarten. Ebenso fehlt noch ein überzeugendes Konzept für das Micropayment bei einzelnen Artikeln.
Am ehesten scheint man bei der Frage nach dem ROI zusammengefunden zu haben: Zuverlässige Tools liefern belegbare Zahlen, mit denen man gegenüber der eigenen Firma argumentieren kann. Vernachlässigt werden jedoch häufig Faktoren wie das Branding, weiche Faktoren, die man nicht so einfach mit Statistiken in den Griff bekommt. Vermutlich wird in nächster Zeit der eigentliche Job des Social Media Managers in der PR-Abteilung des Unternehens aufgehen.
Dass das Motto „It’s time to kiss the future“ übrigens einem der erfolgreichsten Marketing-Podcasts Deutschland entlehnt war, das war natürlich eine Referenz an den „Blick über den Tellerrand“ von Alex Wunschel. Und vielleicht ist man in einem Jahr dann auch etwas weiter mit der Frage, ob die Zukunft durch den Kuss nun zum Frosch oder zur Prinzessin wurde.