Die verpasste Zukunft
Die Beschreibung ‚Ruhrgebiet‘ ist eng an den Bergbau geknüpft, sie kam auch erst mit dem Bergbau auf. Zuvor war es nicht die Ruhr, sondern die mäanderne Emscher, die im Zentrum von Betrachtungen stand. Noch heute ist die Beschreibung ‚Emscherbruch‘ regional geläufig. Und die Emschergenossenschaft arbeitet an einer Renaturierung der industriell verkommenen Kloake, als ließe sich die Entstehung nicht kausal (natürlich) erklären, sondern nur als ein Wunder.
Mit dem Niedergang der Schwerindustrie blieben viele Altlasten. Sie wurden seit den 70er Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts teilweise in museale Areale, teilweise in kulturelle Nutzungen überführt, doch einen industriellen Anschluss verpasste man. Zwar entstand in der Region eine der dichtetesten Universitätslandschaften Europas, doch sie blieb fremd, geradezu exotisch. Eingespannt zwischen musealer Beweihräucherung und kultureller Beliebigkeit gab und gibt es offenbar keine entwickelbare Perspektive, Arbeit ohnehin nicht. Und niemand weiß Rat.
In dieser Klemme wurden und werden immer wieder Projekte aus dem Boden gestampft, um überregionale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Eines der letzten Beispiele von solchen Projekten ist die lit.Ruhr, ein Ableger der lit.Köln, die nicht aus literarischer, sondern aus event-ökonomischer Sicht gefördert wird. Fördermaßnahmen orientieren sich im Ruhrgebiet fast ausschließlich am mutmaßlichen Erfolg. Sachliche Fragen werden erst gar nicht gestellt, von der jeweiligen Sache haben die relevanten Stiftungen und politischen Parteien auch keinerlei Ahnung.
Es fehlt an einer Beachtung und Förderung von Aktivitäten in der Region, die sich (a) nicht um die industrielle Vergangenheit kümmern, die (b) auch dem beliebigen Kulturmüll entgehen, sondern die voranschreiten, sich einer Zukunft öffnen. Doch im Ruhrgebiet sind inzwischen sogar Leute rar, die sachlich beurteilen könnten, was denn eine tatsächliche Innovation wäre, ohne Blick aufs Portemonnaie. Es ginge schlicht um die Entwicklung von Neuem!