Der Kulturentwicklungsplan: Was der Rat der Stadt beschließen soll
Was lange währt, das wird endlich gut: Duisburg hat einen Kulturentwicklungplan erarbeitet. Eine Kooperation der Politik mit den Bürgern und den betroffenen Künstlern. Zwar sind alle Daten und Fakten im Ratsinformations-System zu finden, die heute um 15:00 Uhr beraten werden, aber da vermutlich kaum einer wirklich in die Untiefen des unfähigen und benutzerunfreundlichen Systems hinabsteigen möchte: Hier die wesentlichen Punkte, die dem Rat vorgelegt werden. (Drucksache-Nr. 14-0372/2 übrigens.)
(Disclaimer: Ich habe in der AG Kulturwirtschaft mitgearbeitet.)
Der allgemeine Teil: Die Vorrede oder Was eigentlich so Ist-Kultur ist
In seiner Sitzung vom 18.03.2014 beauftragte der Kulturausschuss – auf Antrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen sowie Die Linke – (Drucksache 14-0372) die Verwaltung, einen Kulturentwicklungsplan für die Stadt Duisburg zu erstellen. In der Sitzung des Kulturausschusses am 10.11.2014 teilte die Verwaltung der Politik den Vorbereitungsstand und die Verwaltungsziele zur Aufstellung eines Kulturentwicklungsplans mit (Drucksache 14-0372/1).
(…)
Für Duisburg ist Kultur ein wichtiger Schlüssel zu einer erfolgreichen Stadtentwicklung. Dabei verstehen wir Kultur als einen dynamischen Prozess und als Praxis der Sinnstiftung und der Positionierung. Gleichzeitig spiegelt sich die Diversität der Kulturen, von der Hochkultur bis hin zu den zahlreichen (inter-)kulturellen Milieus auch in unserer Stadt wider. Eine kreative und innovative Kulturpolitik und Kulturförderung ist deshalb unverzichtbarer Bestandteil der Stadtpolitik. Leitgedanke ist dabei, allen Bürgern unserer Stadt – insbesondere auch in den Stadtteilen – eine Teilhabe am kulturellen Leben zu ermöglichen. In diesem Sinne verstehen wir Kulturpolitik und Kulturförderung als kommunale Pflichtaufgabe.
Die explizite Erwähnung der Freien Szene kommt dann in der folgenden Auflistung, aber während hier z.B. die Deutsche Oper am Rhein genannt wird, scheint man irgendwie keine besonders erwähnenswerte Bühne der freien Szene an sich auf dem Schirm gehabt zu haben. Petitesse am Rande. Immerhin: Kultur definiert Duisburg zur Pflichtaufgabe. Sonst hätte man einen Plan auch gar nicht machen müssen, wenn am Ende des Jahres dann eh wieder Mittel gekürzt werden…
Die Potenziale kultureller Vielfalt und Kreativität der Stadtgesellschaft lägen ohne Teilhabe brach. Wirkliche Teilhabe bedeutet Annäherung und Veränderung im Dialog miteinander, im bürgerschaftlichen, ehrenamtlichen Bereich, in Politik und Verwaltung, in Wirtschaft, Universität und Forschung sowie im Kontext professioneller Kulturarbeit. Deshalb ist es selbstverständlich, auch die Beteiligung der kulturinteressierten und kultur- und kreativschaffenden Bürgerinnen und Bürger an kulturpolitischen Entscheidungen zu ermöglichen.
Das Geschwurbel – und mehr ist das im Grunde auch nicht – bezieht sich auf den Prozeß, der in der Vergangenheit stattgefunden hat. Zwar steht weiter hinten noch, dass der Kulturentwicklungsplan tatsächlich auch ein Prozeß sei, der weitergeführt werden müsse. Den Begriff der „wirklichen Teilhabe“ müsste man bei so manchen Entscheidungen der Stadt im Rückblick allerdings definitiv ganz tief und scharf untersuchen – und die Stadt gegebenenfalls mal in der Zukunft auch dran erinnern. Ansonsten bleibt das, wie der Rest, nur eine hohle Floskel.
Was jetzt kommen soll oder kurzer Blick voraus
Ich überspringe jetzt mal einen Abschnitt, in dem kurz zusammengefasst wird, was so die einzelnen ideellen Ziele sind – mehr Kultur wagen oder so, das ist teilweise ein großes Floskelgehubel vor dem Herrn – und komme zu den Punkten, wo man etwas konkreter in der Vorlage wird. Und da gibts das Ein oder Andere, was dann mit dem, was in den Visionen entwickelt wurde etwas – nun – aufeinanderkracht. Aber schauen wir uns die Handlungsempfehlungen mal genauer an.
Einrichtung einer zentralen Informationsstelle (Infopoint)
Notwendig sind niederschwellige, breit gefächerte Informationsangebote, die regelmäßig und leicht zugänglich für die interessierte Öffentlichkeit bereitgestellt werden. Zu diesem Zweck wird die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle („Infopoint“) angeregt, an welcher – auch digital gesammelt, aufbereitet und kommuniziert – die Informationen aus der Kultur (wie Förder-, Qualifizierungs- und Raumangebote sowie Antragsrelevantes) zusammenlaufen und weitervermittelt werden. Das Spektrum schließt ausdrücklich affine Bereiche wie etwa Kreativwirtschaft und Bildung ein. Dabei sind gezielt auch Migrantinnen und Migranten sowie Jugendliche anzusprechen.
Insgesamt gesehen ist die Einrichtung eines Infopoints durchaus ja eine positive Sache. Wobei ich beim ersten Satz vor meinem inneren Auge fünf Regale bestückt mit Flyern sehe ehrlich gestanden. Eine zentrale Stelle wurde jedenfalls von Vielen gewünscht, es gibt sicherlich auch Bedarf dafür. Die Frage ist jetzt: Schafft man dafür eine neue Stelle? Wo ist der Infopoint angesiedelt? Soll das eventuell – da digital erwähnt wird – auch virtuell zugänglich sein? Gerade die Frage des Standortes ist wichtig – bekanntlich scheuen einige Duisburger ja den Weg über den Rhein…
Beteiligungsgremien und Kulturförderung
Transparenz und Information stellen die Grundlage dar, auf der die Gremien arbeiten, die für die Weiterführung des Prozesses der Kulturentwicklung in Duisburg stehen sollen. Es wird vorgeschlagen, die nachfolgenden Gremien einzurichten bzw. fortzuschreiben. Ziel sollte die Besetzung der Gremien mit Vertreterinnen und Vertretern sein, die die kulturelle Diversität der Stadt widerspiegeln (d.h. paritätisch nach Geschlechtern besetzt und unter Beteiligung von Migrantinnen und Migranten, Wirtschaftsakteuren und ehrenamtlich Tätigen).
Auf die beiden Begriffe muss man die Stadt in Zukunft festnageln: Auf Transparenz und Information! Nur: Ob sie das dann auch so macht, das ist die Frage. Da muss sich die Stadt erstmal noch bewähren. Immerhin: Man kann sie drauf festnageln. Gut das. Wenn man sich jetzt die folgenden Gremien anschaut, dann entwickelt sich eine Hierachienpyramide. An deren oberster Spitze: Die Kulturkonferenz, die einmal im Jahr stattfindet. Da scheint man sich das Vorbild der stARTConference aus den Jahren 2009 ff. vors Auge gepinnt zu haben, denn das, was die Konferenz leisten soll, genau das hat die stARTConference ja mal vorgelebt.
Die Kulturkonferenz bietet den engagierten und interessierten haupt- wie freiberuflichen Akteuren aus allen Bereichen der Kulturpflege sowie aus Kultur- und Kreativwirtschaft und Verwaltung die Möglichkeit, einander wahrzunehmen und miteinander, förmlich und informell, in den Dialog zu treten. Sie wertet Entwicklungen aus, berät die Vorschläge aus dem Kulturrat, entwickelt eigene Vorschläge und empfiehlt sie der Politik. Verbunden wird die Konferenz mit internen Workshops und einem abschließenden öffentlichen Panel, an dem auch ausgewiesene Expertinnen und Experten beteiligt werden. Ein begleitender Markt der Möglichkeiten (Projektbörse) ist ebenso denkbar wie eine abschließende Kultur-Party.
Party! Projektbörse! Ich mag Partys. Das mit dem Treffen der Akteure ist auch super. Aber – aber – hmm. Aber… Einmal im Jahr? Einmal im Jahr dürfen dann alle miteinander in den Dialog treten? So auf hochgehobener Ebene? Vor allem: Wenn die Kulturkonferenz Vorschläge aus dem Kulturrat beraten soll, dann kann die nicht einmal im Jahr tagen. Das geht nicht. Denn der Kulturrat – wir sind in der Verwaltung und damit muss man natürlich strenge Aufbauten haben – tagt definitiv öfters im Jahr. Außerdem: Wenn die Kulturkonferenz nur einmal im Jahr Vorschläge an die Politik entrichtet, dann ist das schlicht und einfach Unfug. Denn so, wie das jetzt hier formuliert ist, heißt das: Der Kulturrat kann zwar irgendwie wohl auch selbstständig entscheiden, vermutlich, aber wenn er immer abwarten muss bis einmal im Jahr die Konferenz tagt, wo dann vermutlich die „wirklich wichtigen Themen“ beschlossen werden, ist der dann eigentlich handlungsfähig? Ich stelle mir das gerade vor, wie Unterlagen und Beschlüsse im Rathauskeller gesammelt werden bis die Kulturkonferenz sich bequemt zu tagen. Ich habs nochmal gründlich gelesen und das Bild ergibt sich wirklich so:
Kulturrat: Er tagt mehrmals jährlich und entwickelt Vorschläge für die Kulturarbeit, die in der Kulturkonferenz beraten werden. Der Kulturrat setzt sich zusammen aus Kulturschaffenden und Vertreterinnen und Vertretern der Kulturverwaltung sowie der Bereiche Bildung, Wirtschaft, Bau und Soziales. Jeder Bereich entsendet je zwei Mitglieder, die turnusmäßig wechseln. Mit einer solchen Zusammensetzung kann gesichert werden, dass Stadtkultur als Gemeinschaftsaufgabe verstanden wird.
„… Vorschläge, die in der Kulturkonferenz beraten werden.“ Die einmal im Jahr stattfindet. Nein, ich hab das wohl doch richtig gelesen und verstanden. Das ist einfach städtisches Verwaltungsdenken, was hier zum Tragen kommt und mit Sicherheit nicht das, was sich als praktisch erweisen wird. Irgendjemand muss ja in der Zwischenzeit dann die ganzen Vorschläge sammeln und zusammentragen und so. Beim Rest: Ja, das könnte funktionieren. Fragt sich nur in welchem Turnus die Mitglieder dann wechseln müssen.
Kulturbeirat: Dieses bestehende Gremium vergibt Fördermittel für Projekte und zukünftig auch für kultur- und kreativwirtschaftliche Konzepte. Auf der Ebene der Förderentscheidungen ist eine Jury eingerichtet, die über die Vergabe konkreter Fördermittel entscheidet, sowohl für Projekte als auch für Konzepte. Die Entscheidung über die Besetzung der Jury obliegt dem Rat der Stadt.
Muss man nicht viel zu sagen, den gibts ja jetzt schon und da ändert sich offenbar auch nichts. Bis auf die Vergabe von Fördermitteln auch für kultur- und kreativwirtschaftliche Aspekte. Bauchschmerzen macht mir, dass die Jury dafür vom Rat der Stadt besetzt wird. Ich habe noch nie den Eindruck gehabt, dass die Leute dort sich mit den Belangen der Kultur- und Kreativwirtschaft so richtig befasst haben oder Ahnung hätten. Ja, das ist hart, aber muss mal gesagt werden. Entweder holt der Rat sich da Rat – hah, ein Wortspiel – oder das wird ein Desaster.
Was sonst noch so kommen soll: Kümmerer und Konzeptförderung
Konzeptförderung:Die Projektförderung soll vermehrt auch Perspektiven der institutionellen Förderung eröffnen. Im Sinne der Planbarkeit und Verstetigung wird vorgeschlagen, auch die Möglichkeit der Konzeptförderung für drei Jahre vorzusehen. Ein entsprechendes Konzept soll von den zuständigen politischen Gremien erarbeitet und verabschiedet werden.
Joa. Ist dann so.
Stadtteilbeauftragte: Es sollen Stadtteilbeauftragte oder Stadtteilentwickler für Kultur und kreative Innovation, als „Kümmerer“ und Mittler für Bürgerinnen und Bürger, Akteure und Verwaltung eingerichtet werden. Die Umsetzung dieser Maßnahme geschieht im Zusammenhang mit der Neuordnung der Bezirke.
Hoppla – eine Neuordnung der Bezirke steht an? Aha. Interessant, dass man das so beiläufig aus der Vorlage erfährt. Oder ich hab die öffentlichen Artikel dazu allesamt übersehen. Vermutlich. Und vermutlich siedelt man die „Kümmerer“ bei den Stadtteilbüros an? Bestehende Strukturen nutzen wird wohl die Gunst der Stunde werden, aber wenn ich mal für Neudorf sprechen darf: Hier wäre das Tectrum z.B. als Anlaufpunkt schon mal gegeben und eigentlich müsste ja noch jemand die ganzen Beauftragten noch koordinieren. Als Chef und oberste Ebene. Oder eine Chefin eher? Ich hoffe, man schaut auf die bisherigen Strukturen und versucht hier dann nicht künstliche irgendwas irgendwo zu installieren…
Qualifizierung und Weiterbildung: Notwendig sind spezifische, bedarfsgerechte Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote für Kultur- und Kreativschaffende, unter besonderer Berücksichtigung von nicht genuin künstlerischen bzw. kulturellen Bereichen aus Wirtschaft, (Verwaltungs-)Recht, Finanzen, aber auch Digitalem (Kommunikation, Werbung etc.). Darüber hinaus sind im Sinne der Qualitätssteigerung einer vielfältigen Kulturlandschaft Konzepte für eine verbesserte und verstärkte Ansprache von Zielgruppen, die bislang schwer erreicht werden konnten, zu entwickeln. Gerade auch mit Blick auf die jüngeren Entwicklungen (Stichwort: Flüchtlinge) bedarf es der intensiven Ansprache von Migrantinnen und Migranten.
Einer der Punkte, die bei der Kulturwissenschafts-Gruppe genannt wurde findet sich dann im generellen Teil wieder. Was hier mitschwingt ist wohl, die Angebote der VHS, der IHK und anderer Bildungsträger zu bündeln und suchbar zu machen. Das klingt dann auch nach „besonderer Berücksichtigung“ so. Ja, Kreative haben da bisweilen genau so Probleme wie andere Gründer auch, alles gut. Innovativ wäre so eine Datenbank nun wahrlich nicht. Außerdem muss man die aktuell halten. Vielleicht ist das aber gar nicht so gemeint und das ist alles noch in diesem Infopoint mit drin. Auf jeden Fall klingt das nicht danach, dass man vor hat mit der Szene, die schon da ist – und die sich mangels Örtlichkeiten momentan eher immer in Essen im Unperfekthaus tritt, nein, ich will kein zweites Unperfekthaus hier, aber es muss doch möglich sein einen Hub für Kreative in dieser Stadt zu planen und zu entwickeln, der Möglichkeitsräume erschafft. Oder halt einen Ort wie die U2 im Dortmunder U, wo Kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche – und nette Barcamps auch, hüstel – halt jenseits von Museen möglich ist. Das ist ein wesentliches Problem, was angegangen werden sollte. Abgesehen mal davon, dass es ja wieder um Synergien und so geht, die halt keiner lebt, Ruhrort bleibt bestimmt wieder für sich alleine, ebenso wie die jungen Grünen Gründer im Social Impact Lab bei Daniel für sich alleine bleiben werden. Man möchte dann noch irgendwie überkulturell und überregional und so arbeiten, aber wie genau steht dann im Papier nicht weiter drin.
Die Anlagen: Themen, Titel, Thesen – und was ist damit?
Insgesamt findet sich von dem, was ab Anlage 6 zu finden ist – das sind die Arbeitsergebnisse der einzelnen Gruppen – relativ wenig in der Beschlussvorlage wieder. Dass, was die Lenkungsgruppe nach dem Zusammentragen der einzelnen Gruppenergebnisse rausgenommen hat, sind mehr die Knochen als das Fleisch. Fast habe ich den Eindruck, man hat sich auf das kleinste gemeinsame Vielfache geeinigt, damit der Rat bloß alles noch absegnet.
Kleinstes gemeinsames Vielfaches
Vielleicht ist es erstmal auch keine schlechte Taktik: Das, was in vielen Arbeitsgruppen als Forderungen doppelt und dreifach kam erstmal in die allgemeine Vorlage zu packen, die der Rat beschließen soll. Alles andere kann dann nach und nach angepackt werden. Und CDU und der Rest der Ratsparteien werden mit Sicherheit das Ein oder Anderen noch finden, was nicht möglich, nicht machbar, nicht beschlossen werden kann. Allerdings: Ob die konkrete ausgearbeiteten Handlungsempfehlungen dann auch weiterhin für die Politik als Vorlage dienen oder ob die Politik die in den Anhängen gebündelten anderen Vorschläge ignoriert: Das ist die Frage.
Eine weitere Frage ist, ob das System mit Kulturkonferenz und Kulturrat nicht zu starr ist. Wären hier nicht eher Bürgerforen denkbar, die agiler sind und sich öfters treffen? Vor allem auch als Hilfe, als Berater für die sogenannten Kämmerer in den Stadtbezirken? Wie oft der Kulturrat sich trifft und in welchem Turnus da die Mitglieder wechseln – das alles ist noch nicht ausgearbeitet. Da ist noch viel Luft nach oben. Vor allem Dingen wird nicht erwähnt, ob der Kulturrat und der Kulturbeirat nun zusammen arbeiten. Ebenso ist die Forderung nach Transparenz schön und gut – allerdings wird auf die Idee, dass Künstler in welcher Art auch immer intensiver beim Kulturbeirat dabei sind, praktisch also Projekte jenseits der Förderung vorstellen, um einen Einblick in die Szene zu geben – diese Idee findet sich sonst so nicht mehr wieder. Aber da muss abgewartet werden.
Ob und was der Rat um 15:00 Uhr beschließt – das ist die Frage. Aber die Grundsteine für einen Kulturentwicklungsplan sind jetzt erstmal gelegt. Und was draus wird, liegt bei allen Akteuren: Bei der Stadt und den Bürgern gleichermaßen.