Der Traum des Kreativquartiers
„Für die Münzstraße denken wir an eine Art Kreativquartier, vielleicht mit dem Schwerpunkt Musik, Gastronomie und innerstädtisches Wohnen“, ließ sich Planungsdezernent Carsten Tum jetzt also in der WAZ vernehmen. Dass das Interview eines war mit dem eine Gondolfiere hätte angetrieben werden können spricht nun nicht unbedingt gegen diesen Gedanken. Spricht aber auch was dafür? Schauen wir mal…
Abgesehem mal davon dass das Ganze eh noch etwas dauern wird, das Quartiersmanagement dazu soll ja laut Turns Ausagen erst im nächsten Jahr installiert werden, fragt man sich als Duisburger Bürger ja schon wie man sich das Ganze denn konkret vorstellt. Nein, natürlich kann man jetzt keine ausgefeilten Pläne erwarten, aber eine Richtlinie oder ein Leitbild sollte es doch geben – was die Kultur generell betrifft herrscht in Duisburg allerdings momentan nicht gerade ein Klima, dass für „Musik, Gastronomie und innerstädtisches Wohnen“ geeignet erscheint. Und zudem scheint man immer noch der Ansicht zu sein man müsse „die Kreativen“ – die es natürlich in der Form nicht gibt und die Frage, wer kreativ ist und wer nicht ist ab und schon eine sehr interessante – nur mit günstigen Räumen in ein Viertel locken und dann würde sich der kreative Faktor, die kreative Stadt schon von ganz allein irgendwie zusammenfudeln. Schöner Gedanke. Funktioniert aber eher – selten.
There’s more than just a room with a WLAN, you know?
Was braucht ein Musiker, abgesehen mal von einem anständigen Musikgeschäft oder dem obligatorischem Probenraum mit Strom, schalldichter Abdeckung und vielleicht auch mal einem Fenster zum Lüften? Eine gut logistische Möglichkeit um seine Instrumente für den nächsten Gig von A nach B zu befördern. Also entweder Parkplätze in der Nähe der Räume oder zumindest eine gute ÖPNV-Anbindung um notfalls auch mal einen Bass mitzuschlörren. (Nein, Schlagzeuger brauchen definitiv einen Bully oder geräumigen PKW.) Google schlägt beim Stichwort Parken für das Gebiet unter anderem den Burgplatz vor, dann den Calaisplatz und – natürlich – das Parkhaus in der Gegend. Die ersten beiden Alternativen scheiden schon mal aus – der Burgplatz ist definitiv nie komplett leer zu normalen Bürozeiten, der Calaisplatz auch nicht. Bliebe also nur das Parkhaus in der Gegend – es sei denn all die geplanten Bauvorhaben die im Interview erwähnt werden haben vorsichtshalber Parkplätze auch für Kreativquartiernutzer berücksichtigt. Sprich: Die Stadt müsste dann ja mal schauen wie sie die ganzen Besucher, die das Auto definitiv brauchen – Schlagzeuger! 😉 – irgendwie in das Viertel so reinbekommen dass man bequem parken kann. Und dass nicht irgendwelche Anwohnerparkplätze belegt werden. Was bestimmt passieren wird. Also müsste man eigentlich mit dem „Mieter“ – pardon – „Eigentümer“ des Parkhauses verhandeln damit diejenigen, die wirklich ständig dort wohnen und kreativ werden wollen auch eventuell mal ihr Auto zu günstigeren Konditionen oder sogar – umsonst – dort parken können. Na ja, U-Bahn-Haltestelle sind ja gegeben, das sollte ja kein Thema sein. Fußläufig vom Bahnhof zu erreichen – okay. Es könnte also vielleicht ja klappen mit den Musikern.
Allerdings: Wie viele der leerstehenden Räume sind für Probenräume denn geeignet? Weiß das jemand? Hat das jemand von der Stadt mal untersucht? Vermutlich wird das eine Aufgabe des Quartiermanagements werden vermute ich stark. Und ich tippe ganz stark darauf, dass die vorhandenen Räume irgendwie ja dann wohl noch hergerichtet werden müssen. Strom muss verlegt werden, Toiletten müssen in der Nähe sein, das Ordnungsamt wird auf Fluchtwege bestehen… Uh, oh, Fluchtwege! Ganz schwieriges Thema wie wir alle wissen. Abgesehen mal vom vielleicht notwendigen Schallschutz. Möchte ja nicht jeder Nachbar die Basedrumm um den Kopf gewumst bekommen. Tja, so ein Probenraum kommt halt nicht von alleine, der muss halt hergerichtet werden – und natürlich wird da die Stadt zumindest etliche Dinge erstmal bereitstellen müssen bevor die Musiker die Kostenfrage geklärt haben. Ebenso ist natürlich die Frage ob für Photographen oder Maler genügend Licht in den Räumen vorhanden wäre, aber man will ja ausdrücklich Musiker im Quartier haben. Oder so.
Innenhafengastronomie versus Münzstraßengastronomie
Interessant ist ja die Feststellung, dass man die Münzstraße in Zukunft näher zum Innenhafen rücken möchte. Synergie kommt im Interview als Wort nicht vor, aber es schwingt natürlich mit. Auf die Frage welche Gastronomie denn jetzt genau sich dort ansiedeln soll, die halt nicht die nächste Pizzeria oder Systemgastronomie ist? Nichts gegen Pizzerien oder Dönerläden, aber wie genau stellt man sich das jetzt vor? Und die andere Frage ist: Da das mit dem Innenhafen ja so prima läuft – ähem – würden sich da nicht die Gastronomien über kurz oder lang die Kunden gegenseitig wegnehmen? Zugegeben: Das muss nicht der Fall sein. Mich wunderts ja auch immer wie einvernehmlich etliche Discount-Bäcker in der City miteinander klarkommen, die nur wenige Meter voneinander entfernt sind – von diversen Ein-Euro-Shops, die mittlerweile ja fester Bestandteil der City sind mal abgesehen. Und klar: Das kann natürlich die Stadt nicht en detail planen wer sich jetzt wo ansiedelt. Aber allein das Schlagwort „Gastronomie“ in den Raum zu stellen erscheint dann doch eher so Richtung „Na ja, so GENAU wissen wir das auch alles nicht.“ Was die Stadt machen kann ist allerdings gute Bedingungen für Gastronomien herstellen. Und vermutlich gibts auch hier mal wieder Tausende von Details – Toiletten? Fluchtwege definitiv – die geklärt werden müssen bevor man die Räume für eine Vermietung freigibt. Das kann dauern…
Nur der Punkt innerstädtisches Wohnen, der leuchtet irgendwie ein. Die Frage ist: Wer genau soll denn da wo wohnen? Irgendwann mal geisterte – ich kanns nicht mehr genau definieren, vielleicht finde ich es noch – doch diese Vorstellung von barrierefreien Wohnungen umher, die die Stadt brauchen können wird in Zukunft. War das vielleicht im Zusammenhang mit dem geplanten Ärztezentrum, das im Interview auch erwähnt wird? Jünger werden wir alle nicht mehr und ehrlich gestanden: Barrierefreies Wohnen hat auch jetzt schon seine Vorteile. Man muss sich ja auch für die Zukunft rüsten und jünger wird die Gesellschaft momentan nicht. Gleichzeitig ist Duisburg auch immer noch eine Uni-Stadt, auch wenn man das nicht so mitbekommt. Und da sich momentan die Zahl der Studenten auch vergrößert wären kostengünstige Wohnungen generell nicht so schlecht. Was sich wohl allerdings ausschließt ist „kostengünstig“ und „barrierefrei“. Vermute ich stark, wenn ich nämlich an die ganzen DIN-Normen denke, die es für barrierefreies Wohnen so gibt – allein die Türrahmen müssen ja so breit gebaut werden, dass ein Rollstuhl locker durchpasst – also – hmmmm… Vermutlich nicht. Diejenigen, die Wohnungen brauchen werden, die werden sich diese neuen Wohnungen in bester Lage wohl kaum leisten können. Also die Bruckhausener zum Beispiel, die ja momentan wegen der „Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität“ – sagt die Stadt, ehrlich! – so irgendwie nett zum Wegziehen ermuntert werden.
Wer Kreativquartiere plant ohne auf die vorhandene Bedürfnisse zu achten ist wie ein Gärtner der versucht zuerst die Blüte und dann die Wurzeln zu züchten
Das wäre ja auch zutiefst unsinnig. Jeder weiß doch, man muss für einen Garten den geeigneten Boden haben, man muss Blumen und Nutzpflanzen so gestalten, dass sie einander nicht in die Quere kommen – sie brauchen aber auch genügend Sonne, Wasser, Dünger und Platz zum Entwickeln. Einfach nur Samen draufwerfen und fertig – ist nicht. Aber das hat die Stadt auch so wohl gar nicht vor, sie möchte ja erstmal ein Quartiersmanagement einrichten. Also den Gärtner installieren – man darf gespannt sein woher die Stadt wohl das Geld für diese Stellen nimmt, Duisburg ist doch sonst was Kulturförderung betrifft nicht so ganz mit dem Gold aus dem Topf am Ende des Regenbogens gesegnet. Das könnte durchaus ein Weg sein um erstmal eine Stärken-Schwäche-Analyse durchzuführen und all das, was man so braucht für die Planung. Insofern: Toll. Allerdings frage ich mich dann: Woher sollen die Kreativen für das Quartier kommen? In Ruhrort sind zumindest schon Kreative angesiedelt gewesen bevor man es 2010 zum Kreativquartier ernannte. Dort waren also die Bedingungen eher günstig. Und genau diese Bedingungen sehe ich persönlich momentan in der Münzstraße nicht. Vielleicht bekommt das Viertel durch die Nähe zum Stadtfenster noch einen neuen Schub, neue Kreativität, neue Möglichkeiten – dafür müssten aber Stadtbibliothek und die VHS bereit sein zumindest teilweise unterstützend als Anlaufpartner dazusein. Na ja, wenn das nicht klappt: Vielleicht macht das Unperfekthaus ja noch eine Zweigstelle in Duisburg auf. Genügend Immobilien haben wir ja da rumstehen. Allerdings: Duisburg und kreative Köpfe in der Kultur? Wie heißt das Wort nochmal? Irgendwas mit doxon am Ende.