Raimund Stecker, die Wand und die Tassen im Schrank – Die Pressekonferenz des Museumsdirektors
Raimund Stecker, seines Zeichens Noch-Chef des Lehmbruck-Museums, hat eine Pressekonferenz (PK) gegeben. Und die Rheinische Post (RP) und dieWestdeutsche Allgemeine (WAZ) haben darüber berichtet. Stecker hatte aus Anlass zweier bevorstehender Ausstellungen zur PK eingeladen. Tage zuvor ist – offenbar durch eine Indiskretion – ein Bericht des Rechnungsprüfungsamtes bekannt geworden, in dem Steckers Finanzgebaren als Museumsdirektor scharf kritisiert wird. Dazu wollte sich Stecker nicht äußern, was auch absolut in Ordnung gegangen wäre. Schließlich musste er von Vorwürfen gegen sich aus der Presse erfahren, so dass er sie mit jedem Recht hätte ebenso öffentlich zurückweisen können, oder eben mit demselben Recht jede Stellungnahme dazu verweigern können. Die Zeitungen berichten übereinstimmend, dass Stecker sich offenbar zu einer Art Doppelstrategie entschieden hatte. Einerseits verwies er in der PK darauf, den Bericht noch nicht gelesen zu haben, und kündigte an, erst nach der Lektüre eine Stellungnahme zum Bericht abzugeben – aus Respekt vor den „parlamentarischen Gepflogenheiten“ (?) „intern und nicht öffentlich“. Andererseits hat er aber dann doch – offenbar ebenso amüsant wie ausführlich – seine Sicht der Dinge dargelegt.
Angesichts der Indiskretion zu seinen Lasten kann freilich auch nicht Steckers Recht bestritten werden, mit dieser ein wenig ungewöhnlichen Doppelstrategie vor die Presse zu treten. Allerdings darf bezweifelt werden, dass der Noch-Museumsdirektor sich damit für die geschickteste Variante entschieden hatte. Hier ist zu seiner Verteidigung anzuführen, dass sich die Journalisten womöglich noch mehr für seine Haltung zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen interessiert haben als für die Ausstellungen, deretwegen er die PK anberaumt hatte. Jedenfalls haben sie ihn – mindestens eine(r) von ihnen – mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe als Museumsdirektor das Haus finanziell „vor die Wand“ gefahren. Da konnte freilich Stecker seinem Vorsatz, die parlamentarischen Gepflogenheiten zu respektieren, nicht mehr treu bleiben. Da musste er Statur zeigen. Aber wie er diese Vorhaltung gekontert hatte! Weltklasse. „Ich sehe diese Wand nicht“, hat er gesagt, der Prof. Dr. Stecker. Der Punkt ging ja wohl ganz klar an ihn. In der Situation. Als Leser bleibt man jedoch mit den Fragen zurück: warum hat er denn die Wand nicht gesehen? Gibt es etwa gar keine? Und wenn es eine gibt – ist Stecker vielleicht gerade deshalb mit Karacho vor sie gefahren, weil er sie nicht sieht?
Dies jedoch würde die Frage aufwerfen, warum er die Wand – auch nach dem Crash – immer noch nicht sieht. Hoffentlich ist ihm bei der Havarie nichts zugestoßen! Vielleicht steht er aber mit seinem kaputten Fahrzeug einfach nur viel zu dicht an besagter Wand, dass er vor lauter Wand selbige – mangels Vergleich – gar nicht mehr als solche erkennen kann, die Wand also für die große weite Welt halten muss. Fragen über Fragen. Unschuldsvermutung: vielleicht gibt es tatsächlich keine Wand. Allerdings lesen wir in der WAZ auch dieses Stecker-Zitat in indirekter Rede: „Sollte zu viel Geld ausgegeben worden sein, müsse man diese Beträge als Investitionen begreifen.“ Was sich, ehrlich gesagt, nach einem ganz erheblichen Wand-Schaden anhört. Das Blöde an derlei Wand-Schäden ist: alle sehen sie, nur man selbst bekommt davon nichts mit. Und so hat Stecker dann wohl auch auf der PK erzählt. Wie er mit einem Unternehmer „in entspannter Atmosphäre…“ – na ja, das End´ vom Lied: Stecker hatte gekauft – und nachher „sind wir sehr schön essen gegangen.“ Wie gesagt: das muss man alles „als Investitionen begreifen.“ Und: „Die Saat wird aufgehen“, sagte Stecker. Stimmt! Vielleicht ist sie auch schon aufgegangen. Man sät einen fetten Einkauf – in entspannter Atmosphäre, versteht sich -, garniert ihn mit einem schönen Restaurantessen… – und eine Weile später erntet man dafür die Kündigung.
Das allerdings wäre genau genommen eine Missernte. Also ein Jammer, denn nur „das erfolgreiche Einbringen und Lagern der Ernteerträge sichert“, wie wir auf Wikipedia lernen, „das Überleben im nächsten Winter. (Wird) pro Jahr nur eine einzige Ernte eingebracht, bedeuten Missernten oft Hungersnot, Armut und den Tod.“ Das darf nicht sein! Ohne Stecker geht es nicht. Er ist jedenfalls, lesen wir in der RP, „top-motiviert“ für seine Arbeit. Und, wie wir aus der WAZ-Überschrift erfahren: „Lehmbruck-Museumschef Raimund Stecker fühlt sich im Recht“. Steckers Sicht der Dinge – wie gesagt: absolut in Ordnung. Das gute Recht des Herrn Direktor, sie die Welt wissen zu lassen. So weit, so gut, so uninteressant. Zumindest für mich. Nun ja. Da ist allerdings diese eine kleine Sache, die mich wiederum sehr stark interessiert. Anne Horstmeier spricht sie in ihrem Bericht für die WAZ zweimal kurz an. Im „Lead“, also in der Einführung, schreibt sie, Stecker „Affäre Dreyfus“. Im Text berichtet Horstmeier, dass „Stecker zum Pressegespräch, in dem zwei neue Ausstellungen im Mittelpunkt standen, ein Buch über den „Fall Dreyfus“ mitgebracht (hatte). Damit stellte er einen Zusammenhang her zwischen seiner Situation und einem der größten Skandale, die Frankreich im 19. Jahrhundert erschütterten“. Nun, ich war bei der PK nicht zugegen. Ich kann daher nicht sagen, was die Journalistin mit „damit“ genau meint.
Mag sein, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Dass Anne Horstmeier einem dummen Zufall aufgesessen ist und einen Zusammenhang gesehen hat, wo kein Zusammenhang gewesen ist. Mag sein, dass Stecker das Buch über den „Fall Dreyfus“ nur ganz zufällig bei der PK dabei hatte und es unglücklicherweise auf den Tisch gelegt hatte. Ich weiß es nicht… Kein Problem. Auf der PK waren ja genug Zeugen zugegen, so dass sich ohne weiteres klären lässt, ob Raimund Stecker tatsächlich seine Situation mit der Alfred Dreyfus´ vergleichen wollte. Stecker hat Horstmeiers WAZ-Artikel gewiss gelesen; es wird ein Leichtes für ihn sein, diese Despektierlichkeit aus der Welt zu schaffen. Was aber, wenn gar kein Missverständnis vorliegen sollte? Wenn Stecker wirklich für sich eine Opferrolle in Anspruch nehmen wollte, die in irgendeiner Weise einen Vergleich mit der Dreyfus-Affäre legitimiert? Ein Klick zu Wikipedia genügt, um sich zu vergegenwärtigen, worum es hier Ende des 19. Jahrhunderts gegangen war. Sollte Stecker, wie Horstmeier schreibt, tatsächlich diesen Zusammenhang bewusst hergestellt haben, (16) dann reicht der Hinweis, dass er es versäumt haben muss, auf seiner Einkaufstour das bedeutende Kunstwerk „Die Tassen im Schrank“ zu beschaffen, nicht aus. Denn dann hätte er nicht nur sich mit Dreyfus verglichen, sondern auch seine Arbeitgeber mit den damaligen Tätern. Dann wäre eine fristlos Kündigung fällig. Juristisch sattelfest und dringend geboten.