Gibt es technologische Arbeitslosigkeit? Teil 1 von 3
Eine Nachbetrachtung zur gleichnamigen Reihe von Dr. Werner Jurga von Julius Census
In den drei Beiträgen „Gibt es technologische Arbeitslosigkeit“ hat uns Dr. Werner Jurga sehr plausibel gemacht, warum es eben keine gibt.
Auf den Punkt gebracht: Wenn Effizienzsteigerungen und damit Kostensenkungen, die durch neue Technologien erwirtschaftet werden können, durch Lohnsteigerungen oder Preisnachlässe dem Wirtschaftskreislauf wieder zugutekommen, wird sich der zunächst negative Effekt (gesamtwirtschaftlich betrachtet) wieder vollkommen aufheben.
Betrachten wir das mal ein wenig näher!
In WIKI steht nun, dass durch ein Wirtschaftswachstum des realen BIP von 1,5% jährlich (Bild von Statista.com)
die durch neue Technologien entstandene Arbeitslosigkeit restlos ausgeglichen würde. Schauen wir uns die wirtschaftliche Entwicklung der BRD in den letzten Jahren an! Im Durchschnitt hatten wir in den letzten 20 Jahren ein Wirtschaftswachstum von 1,36%. Somit 0,14% zu wenig um den Effekt zu kompensieren.
Um einen Zusammenhang ausmachen zu können, brauchen wir noch die Arbeitslosenquoten des gleichen Zeitraumes. Wenn wir diese Zahlen anschauen, hat WIKI wohl recht, dass die technologisch bedingten Arbeitslosen alle wieder im Arbeitsprozess gelandet sind. Vor allem wenn man bedenkt, dass es seit 1992 rund 1,8 Millionen mehr Arbeitnehmer in Arbeit gibt.
(Bild von Statista.com)
Bis hierher ist alles soweit schön und gut. Trotzdem: Es bleibt ein komischer Geschmack im Mund und irgendetwas ist „gefühlt“ nicht so wie erwartet. Stimmt: Da war diese Einschränkung „wenn die Effizienzsteigerung auch dem Wirtschaftskreislauf wieder zugutekommt“. Werfen wir einen Blick auf die Kaufkraftentwicklung der letzten Jahre, da diese auch inflationsbereinigt sein sollten.
Demnach ist unsere Kaufkraft seit 1992 um ein gutes Drittel eingebrochen. Wie passt das zusammen?
Des Rätsels Lösung finden wir in der deutschen „Exportmaschine“. Wir erwirtschaften unsere Überschüsse hauptsächlich im Ausland. Das erreichen wir durch die enorme Wettbewerbsfähigkeit unserer Produkte auf den internationalen und besonders den europäischen Märkten. Wir haben unsere Mitbewerber in Grund und Boden konkurriert. Zugegeben: das liegt im Wesentlichen auch an den Hartz-Gesetzen, die in Deutschland einen nie dagewesenen Niedriglohnsektor entstehen ließen. Mit dem Ergebnis, das die Inlandsnachfrage von Jahr zu Jahr schwächer wurde. Ein Ausdruck ist sicherlich auch die jüngste Insolvenz der Fa. Neckermann.
Aber muss das eigentlich so sein? Wenn ich unsere Wirtschaftsminister höre, dann sprudeln die Steuergelder in nie dagewesener Höhe. Mir klingeln noch die Ohren von den markigen Worten eines Herrn Brüderle und anderen.
Schauen wir uns auch das einmal an:
Ganz ehrlich? Ich bin beeindruckt. Da haben Politiker anscheinend tatsächlich die Wahrheit gesagt. Allerdings ist das doch sehr merkwürdig. Die Kaufkraft sinkt und die Steuereinnahmen schießen in die Höhe. Das passt nicht zusammen. Wer sich die Mühe macht, ein wenig in die Detaildaten zu schauen, entdeckt da ein paar Dinge:
Seit 1994 gibt es keine Börsenumsatzsteuer mehr. Gut. Das war auch eher ein kleiner Posten von zuletzt (1993) 10 Millionen Euro und selbst 1990 waren es nur „läppische“ 422 Millionen. Ebenso bezeichnend sind die Erbschaftssteuern, die einen ziemlichen Sprung gemacht haben. Sind da mehr Menschen gestorben? Oder mehr reiche Menschen? Was aber wirklich witzig ist: Im Jahr 2008 lag die Vermögenssteuer bei -7 (minus sieben) Millionen, und sie wird auch auf 2011 wieder mit -4 (minus vier) Millionen Euro geschätzt. Sie haben richtig gelesen. Minus. Da müssen wohl Steuern auf bereits existierendes Vermögen zurückgezahlt worden sein. Man muss nicht alles verstehen und das deutsche Steuerrecht ist sicherlich eines der komplexeren Themen, das wir hier auch nicht weiter verfolgen wollen. Eine echte Merkwürdigkeit bietet aber die Umsatzsteuer. Trotz nachlassender Kaufkraft ist sie kontinuierlich gestiegen. Das sind alles Hinweise, dass die Einkommen wohl nicht so verteilt sind, wie es volkswirtschaftlich sinnvoll wäre.
Hier erfüllt sich die Annahme, dass technologisch errungene Preisvorteile eben nicht in den Markt weitergegeben werden. Somit „versackt“ das Geld an anderen Stellen. Der Grund wird mit den monopolistischen Stellung einiger Unternehmen angegeben, die staatliche Regulierungen unterlaufen oder zu ihren Gunsten manipulieren, um die zusätzlichen Gewinne anderweitig als im „realen Wirtschaftskreislauf“ zu verwenden. Es entstehen „Geldstauseen“ bei wenigen. Und das hat eher was mit Gier, Geiz, falschem Geld- und Wirtschaftsverständnis der „Hortenden“ zu tun als mit technologisch begründeter Arbeitslosigkeit. Ich behaupte, dass das mittlerweile nicht mehr nur bei „monopolistisch“ starken Unternehmen der Fall ist, sondern auch bei einzelnen Menschen. Sie nutzen schlichtweg die bisher erreichten „Gesetzesanpassungen“ zu ihrem Vorteil.
Aber wo steckt denn nun all das „gehortete“ Geld? Und wie kann man Geld überhaupt auf eine Art horten, dass es dem normalen Geldkreislauf entzogen wird?
Wenn ich ein Sparbuch anlege, dann ist es ein offenes Geheimnis, dass meine Bank dieses Geld nicht einfach in die Schublade steckt. Der Zins, den ich auf dieses Sparbuch bekomme, entsteht dadurch, dass die Bank mit dem Geld arbeitet. Nein: nicht das Geld arbeitet. Die Bank arbeitet damit! Das geschieht durch neue Kreditvergabe, Spekulation, Geldhandel etc.. Eben Bankgeschäfte.
Bei fast allen dieser Geschäfte landet das Geld wieder im Wirtschaftskreislauf, und die nette schwarze Zahl auf meinem Sparbuch ist eigentlich nur eine Gedächtnisstütze, von wem das Geld kommt. Das Gleiche passiert, wenn ich dafür Aktien oder Anteile von Aktienfonds kaufe. Oder ich beteilige mich direkt an einem Unternehmen. Das Geld landet immer wieder im normalen Wirtschaftskreislauf. Wenn nicht direkt, dann meist indirekt über die jeweiligen Anlageformen.
Also bitte! Wo bleibt dieses gehortete Geld?
Ein Handel ohne Wirkung auf den realen Wirtschaftskreislauf kann eigentlich nur auf einem Markt entstehen: dem Handel mit Geld und dessen Produkten. Eine Art „Wirtschaftsinzest“. Dem Versuch, direkt mit Geld mehr Geld zu machen – ohne über den mühsamen Weg des Bedarfes und der Arbeit zu gehen. Dieser Markt benötigt nichts weiter als Geld, um mehr Geld zu machen. Er orientiert sich daher nicht mehr an realen Bedürfnissen, die zu decken sind.
Und ja: Auch das hat nichts mit technologischer Arbeitslosigkeit zu tun.
Ich bin der Meinung, dass es sie trotzdem gibt.
Dazu müssen wir ein wenig weiter ausholen … im 2. Teil.