Nach der Wahl in NRW: Wasser für die Weintrinker
Die Wahlforschungsinstitute lagen mit ihren Vorhersagen für die NRW-Wahl gar nicht einmal so daneben. Bereits vor zehn Tagen legten Infratest dimap für die ARD und die Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF Prognosen vor, die Volltreffer gewesen wären, wenn… ja wenn…
Norbert Röttgen nicht einen fulminanten taktischen Fehler aufs Parkett gelegt hätte, den der smarte Christian Lindner für sich optimal hatte ausnutzen können. Röttgen hatte bekanntlich die Landtagswahl kurzerhand zur Abstimmung über Merkels Sparpolitik erklärt, womit er zwar Recht, aber gleichzeitig auch alle, auf die es ankam, gegen sich hatte: Frau Merkel und die gesamte CDU, die Meinungsmacher aller politischen Couleur und last, but not least „den“ Wähler, der es gar nicht mag, während er pflichtgemäß den gesundheitlichen Vorzügen des Wassers applaudiert, aufgefordert zu werden, auf den ihm zur unerfreulichen Gewohnheit gewordenen Wein zu verzichten. Von einem Herrn Röttgen! Dass selbiger dann sogleich kräftig Klassenkeile einstecken musste, bestärkte den mündigen Bürger zielsicher in dem Gefühl, dass mit Muttis Lieblingsjunge irgendetwas nicht stimmen könne.
Weshalb er sich einem anderen Sunnyboy zugewandt hat, der kurzfristig in die Angebotspalette aufgenommen worden ist, das Wasser in noch größeren Tönen anpries als der Umweltminister, dabei jedoch auf die anmaßende Unterstellung verzichtete, die verehrten Kunden seien von einem Hang zum Wein geplagt. Ein Supertalent, dieser Christian Lindner! Rund fünf Prozent der mündigen Weintrinker – vermutlich die trinkfestesten unter ihnen – wandten sich deshalb in den letzten zehn Tagen von Röttgens CDU ab, um bei Lindners FDP zu landen. Ein flotter Turbo-Wahlkampf in NRW, und schon läuft die Sache ganz genau so, wie eine Woche zuvor im Land- zwischen Nord- und Ostsee: die FDP ist zurück! Was will das liberale Herz mehr?!
Sicher, Regieren – das wär´s. Zu überleben oder, wie man´s nimmt: auferstanden zu sein, ist aber umständehalber auch schon einmal etwas. Zitat Daniel Bahr: “Die FDP hat – wie die Kirche – Erfahrung mit der Auferstehung.“ Bahr ist für solche Dinge wie Überleben, Auferstehen und dergleichen schon rein fachpolitisch betrachtet zuständig. Er ist nämlich der Bundesgesundheitsminister, immerhin ein Hinweis darauf, dass die FDP nicht ausschließlich mit dem eigenen Todeskampf beschäftigt ist, sondern – die Fachleute werden sich erinnern – tatsächlich auch regiert. Richtig: in der Bundesregierung. Na klar: klinisch tot kommt kein Mensch so richtig dazu. Da muss schon mal der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, ein begnadeter Weintrinker, lautstark darauf aufmerksam machen: „Wer hat’s gemacht? Wir haben’s gemacht!“
Eine beeindruckende Videoaufzeichnung! Brüderle kommt rüber wie ein verzweifelter Ehemann, den seine erfolgreiche Frau verlassen möchte. Der Loser nimmt einen kräftigen Schluck aus der Pulle und begegnet ihren Vorhaltungen, er versage auf ganzer Linie, mit dem realitätsfremden Geschrei: „Wer hat denn damals…?!“ Doch mit Peinlichkeiten dieser Art wird es jetzt ein Ende haben. Nicht, dass Brüderle zu den Wassertrinkern überlaufen würde – das nun auch wieder nicht! Aber die Röttgen-gestärkte FDP wird sich bei der Kanzlerin verstärkt wieder in Erinnerung bringen mit lästigen Wortmeldungen wie „Hallo, wir sind auch noch da!“ Und das ganze Land wird dieses Spektakel verfolgen – wohl wissend, welche Partei wirklich die absolute Losertruppe ist. Die dreizehnte Landtagswahl in Folge hat die CDU nun schon verloren.
Für die Kanzlerin wird das Regieren jetzt ungemütlicher. Es mag sie stören, doch letztlich wird die FDP der Frau Merkel bleiben, was sie immer war: total egal. Sie weiß: gefährlich werden könnten ihr allenfalls echte Gegner. Gestern hat die SPD einen Schritt in diese Richtung gemacht. In NRW. Mutti wird im Auge haben, wie es mit den Roten weitergeht. Wir auch.