„4 Künstler, 4 Räume – Geschenkt / Geliehen“: Piene, Götz, Feldmann, Ruthenbeck
Kunst kann gefährlich sein. Wer Stroboskoplicht meiden muss, sollte nur einen Seitenblick in den Raum von Otto Piene werfen, in dem dieses flackernde Licht eingesetzt wird. Es ist Teil der Installation „Fleurs du Mal“, „Blumen des Bösen“, die aufblühen und wieder verwelken. Allerdings nicht in einem langsamen Zeitablauf wie in der Natur. Zu sehen ist die Installation momentan im Lehmbruck-Museum: „4 Künstler, 4 Räume – Geschenkt / Geliehen“ heißt die Präsentation.
Als André Schweers, Restaurator des Lehmbruck-Museums, im Rahmen der PlastikBar durch die noch unfertigen Räume führte waren die schwarzen „Blumen des Bösen“ noch nicht ein einziges Mal erblüht – die technische Einführung erfolgte erst am nächsten Tag durch den Assistenten des Künstlers. Doch auch im verwelkten Zustand faszinieren diese großen schwarzen Blumen, jede öffnet sich auf die ihr eigene Art und Weise. Dabei ist das Exemplar, das nur eine Blume „trägt“ und nicht wie alle anderen zwei, nicht unvollständig, sondern der Prototyp. Die Natürlichkeit des Werdens und Vergehens wird künstlich, die Sonnenstrahlen werden durch das Stroboskoplicht ersetzt. Dabei wird dieses nicht, wie zuvor bei der ersten Installation, permament eingesetzt um epileptische Anfälle zu vermeiden. Doch auch so wachsen die schwarzen unheimlichen Blumen vor dem Betrachter empor. Ob Baudelaire eine Rolle spielte, dessen berühmte Gedichte „Les Fleurs du Mal“ immerhin ebenfalls schwarz und unheimlich sind? Rätselhaft sind die Keramiktafeln in diesem Raum – sie erinnern an Tontafeln, in denen erste Schriftzeichen eingraviert wurden, doch welche Sprache oder welchen Sinn sich in ihnen verbirgt ist die Frage, die der Schauende selbst entschlüsseln muss.
Pink und prall – im nächsten Jahr wird wohl auch der „David“, der vor dem Lehmbruck-Museum zu finden ist seine ursprüngliche bunte Farbe wiedererhalten, die der kleine Bruder im Feldmann gewidmeten Raum ausstrahlt. Ihm gegenüber postiert ist eine doppeldeutige Frauenfigur, die entweder als „Eva“ kurz vor dem Augenblick der Erkenntnis gesehen werden kann – doch erinnert sie auch an Aphrodite oder Venus, vielleicht kurz nach dem Urteil des Paris – auch hier spielt bekanntlich ein Apfel eine Rolle. Großformatige Photos an den Wänden zeigen die Bürgermeister der Ruhrgebietsstädte, inszenieren sie in ihren Städten oder ihren Räumen. Männer von Welt, die Verbindung zu den repräsentativen Porträts der Barockzeit liegt nicht ferne. Auch eine ständische Inszenierung: Die Fußball-Bilder. Auffallend, wie oft hier die Spieler tatsächlich im Moment des „Spielens“ festgehalten sind – die Lebendigkeit des Augenblicks ist festgefroren. Auf ihre Art sind auch sie wie der David Helden, wenngleich ihr Ruhm schon verblaßt ist.
Es hat lange gedauert bis das geeignet Granulat für Ruthenbecks Aschehaufen gefunden worden war. Jetzt präsentiert sich dieser Haufen zusammen mit dem Eisengestell im Raum. Kargheit, gespickt mit einem Hauch von Rätselhaftigkeit. Von der Decke herab hängt ein Stoffgebilde, quadratisch, in dessem Inneren eine Glasscheibe liegt. Dass Kunst einen auf sich selbst zurückwirft wird hier konsequent verdeutlicht, der Betrachter erblickt nur sich selbst. Die kleinen Objekte auf der weißen Theke sind karg und zurückgenommen, das klinische Weiß des Raumes kontrastiert die Werke, der Aschehaufen mit der feuchten Oberfläche wird dadurch noch hervorgehobener.
Götz, der Erblindete, hinterlässt einen Abdruck seiner Persönlichkeit im Ton. Er greift nicht nur mit Händen und Füßen in das Material ein, sein Gesichtsabdruck im Ton ist Selbstporträt. Von einem gewissen Winkel ausgesehen tritt das Gesicht für das Auge sogar plastisch hervor, wird der Eindruck fassbar. Diese Intimität erschreckt zuerst, dann aber wiederum fasziniert sie durch die Greifbarkeit des Dargestellten. Götz erinnert den Zuschauer daran, dass auch dieser nur einen begrenzten Abdruck in der Zeit hinterlässt – und dass auch der Besucher ab und an im Kreis geht. Ordnung einerseits – in den Ton gewirkte Kreise, die Götz abschreitet – steht dabei dem Chaos – Tontafeln, in denen Götz mit aller Energie den Ton bearbeitete – gegenüber. Daneben geraten die informellen Bilder aus den früheren Jahren fast ins Hintertreffen.
„4 Räume – 4 Künstler – Geschenkt / Geliehen“ ist bis zum 29.04. im Lehmbruck-Museum zu sehen. Einen Blick wert sind ebenfalls die „Objets d’Art“ von Georg Hornemann, noch bis 11.03. und die Installation „Glanz der Nacht“ von Nicola Schrudde, die bis zum 15. April im Museum verweilt.