Das Ansehen Duisburgs
Das Ansehen Duisburgs – das muss aber unter uns bleiben – ist mir eigentlich ziemlich wurscht. Nun regen Sie sich mal nicht gleich auf! Und vor allem: behalten Sie es bitte für sich! Denn Sie wissen ja: es ist gerade Abwahlkampf, wie man das Bemühen, diesen Sauerland loszuwerden hier in Duisburg nennt, und da kommt das nicht so besonders gut, wenn man sich hinstellt und sagt: Das Ansehen Duisburgs ist mir eigentlich wurscht. Also bitte: psst!
Nun, warum sollte mich das Ansehen Duisburgs sonderlich interessieren, wenn ich schon auf das eigene nicht allzu viel gebe?! Um nicht in den Verdacht der Koketterie zu kommen: ich habe an sich nichts gegen Ansehen. Sollten Sie zum Beispiel meine Texte ganz lesenswert finden, bitteschön: nichts dagegen. Empfehlen Sie sie ruhig weiter! Sollten Sie mich persönlich kennen, erzählen Sie nur, dass Sie mich für einen netten Kerl halten! Nur, nochmal: erzählen Sie bitte nicht, dass mir das Ansehen Duisburgs wurscht ist.
Mir ist eine ganze Menge ziemlich wurscht; das ist wahr. Aber so einiges – und das können Sie mir wirklich glauben – passt mir ganz und gar nicht. Zum Beispiel, dass Herr Sauerland, nachdem er gegen alle Bedenken diese unsägliche Loveparade durchgezogen hatte, nicht einmal bereit war, die politische Verantwortung für diese Katastrophe zu übernehmen. Dass er sich, als die Toten noch nicht bestattet waren, von jeglicher Schuld freigesprochen hatte. Dass er das Konstrukt von einer „moralischen Verantwortung“ in die Welt setzt – darauf verweisend, selbst nichts unterschrieben zu haben.
Kurzum: mir passt nicht, dass jemand wie Sauerland nach dieser beispiellosen Katastrophe es schaffen konnte, sich danach noch anderthalb Jahre im Amt zu halten. Welch eine Verlotterung der politischen Sitten! Mich beschleicht ein ungutes Gefühl, in einer Stadt zu wohnen, in der so etwas möglich ist. In der die wichtigen Leute dieser Stadt, die genauso gut wie ich wissen, dass Sauerland wie kein Anderer dafür gesorgt hatte, dass sich dieser Wahnsinn zutragen konnte, ihn beim Neujahrsempfang umschwirren, als wäre er genauso einer von der Sorte „feine Leute“ wie sie selbst.
Nun ja, dieser ganzen Bagage geht es ums Ansehen. Keine Frage; deswegen machen sich diese ehrenwerten Mitbürgerinnen und Mitbürger – genannt: Persönlichkeiten – auch immer so schön fein. Aber keine Sorge: wenn es hart auf hart kommt, wenn sie sich entscheiden müssen, lässt die Mischpoke Ansehen sein und entscheidet sich für das, was ihr noch ein Ideechen wichtiger ist: fürs Geld. Das passt mir jedenfalls alles nicht. Ganz und gar nicht, womit auch schon der Hintergrund erläutert wäre, vor dem mir das Ansehen Duisburgs ziemlich egal ist.
Na klar: außerhalb unserer Stadtgrenzen käme niemand auf die Idee, Duisburg mit dieser Handvoll Brausefabrikanten, Baulöwen, Reisefritzen und wie sie alle heißen gleichzusetzen. Außerhalb unserer Stadtgrenzen sieht man Duisburg als eine große Menge Gossenkinder mit diesem völlig unmöglichen Oberbürgermeister an der Spitze. Sämtliche Überlegungen zum Ansehen Duisburgs haben zunächst einmal von dieser Tatsache auszugehen. Allein: das Ansehen Duisburgs ist nicht der Stoff für Überlegungen. Das Ansehen Duisburgs ist eine Angelegenheit mehr so fürs Herz.
Herzensangelegenheiten sind schön, Ansehen – wie bereits erwähnt – ist auch schön, und Duisburg … – Herrgott! Man kann nicht alles haben. Gegen das Ansehen Duisburgs, für das vermeintlich zu kämpfen gilt, habe ich, um es zu konkretisieren, speziell zwei Vorbehalte: erstens das Ansehen, und zweitens Duisburg. Ansehen mag ja eine schöne Sache sein; das Problem beginnt dort, wo man beginnt, fürs Ansehen zu kämpfen. Ansehen als Wert an sich, Ansehen gleichsam als Selbstzweck bedeutet, sein Tun an die Wertschätzung anderer zu binden.
Erstens: wer stets nur auf sein Image oder Prestige, seine Reputation oder seinen Ruf bedacht ist, um mal ein paar Synonyme für Ansehen anzuführen, ist allerdings keineswegs gefeit davor, falsche Entscheidungen zu treffen. Vielleicht ist es ganz nützlich, daran zu erinnern, dass auch die Entscheidung für die Loveparade durch die Absicht motiviert war, das Ansehen Duisburgs zu mehren. Wie hoch sich dieser Imagegewinn für Duisburg in Mark und Pfennig auszahlen werde, wurde in der Diskussion um die Loveparade sogar exakt in Millionen Euro angegeben.
Zweitens: noch problematischer wird der Begriff Ansehen dann, wenn er nicht an eine Person, sondern gleich an eine ganze Menschengruppe gekoppelt ist. Sogar Leuten, denen beim Wort vom deutschen Ansehen in der Welt sogleich Bedenken kämen, haben gegen das Gerede vom Ansehen Duisburgs nichts einzuwenden. Wie wäre es mit dem Ansehen Idar-Obersteins? Oder mit dem Image Castrop-Rauxels in der Region, im Lande und in der Welt? Von einem Ansehen Duisburgs auch nur zu sprechen, erscheint mir einfach lächerlich.
Aber nochmal: erzählen Sie es bitte nicht! Sagen Sie es nicht weiter! Halten Sie mich für arrogant, überheblich oder sonst was; ich bin ganz sicher: meine Auffassung, oder sagen wir besser: meine Gemütslage in dieser Sache ist minoritär. Ganz sicher: den meisten Duisburgern liegt das Ansehen Duisburgs sehr wohl am Herzen. Manchen von ihnen möglicherweise sogar noch mehr als die demokratischen Gepflogenheiten und / oder die politische Kultur im Lande.
Mitten im sog. Abwahlkampf wäre es folglich kontraindiziert zu erläutern, warum das Lamentieren über das Ansehen Duisburgs ziemlicher Quatsch ist. Und es kommt noch doller: bei manchen Duisburgern – übrigens einigermaßen unabhängig von ihrer parteipolitischen Präferenz – geht es sogar so weit, dass sie – nicht etwa die Loveparade-Katastrophe, sondern – das gegenwärtige Abwahlverfahren als Nestbeschmutzung empfinden. Nestbeschmutzer mag man nicht, und gegen Empfindungen ist so schnell kein Kraut gewachsen. Hoffnungslose Fälle.
Aber den Leuten aus der ersten, der größeren Gruppe, also denjenigen, denen einfach nur das Ansehen Duisburgs am Herzen liegt, mit denen ließe sich reden. Wie gesagt: es bringt nichts, wenn Sie mein Ansehen bei denen in irgendeinen Zweifel ziehen. Gehen Sie mit denen stattdessen einfach mal durch, wie wohl die Medien – also die überregionalen – reagieren würden, wenn die Abwahl Sauerlands in die Hose ginge.
Bedenken Sie: die überregionalen Medien – also Fernsehen, Tagesschau, Bildzeitung, Der Spiegel usw. – erfüllen im kommunalpolitischen Diskurs in etwa die gleiche Funktion wie auf nationaler Ebene „das Ausland“. Sprich: im Grunde böswillig, dennoch empfiehlt es sich, sich mit denen gut zu stellen. Einer der peinlichsten Fehler Sauerlands war, dass ihm auf dieser Pressekonferenz am 25. Juli 2010 dies irgendwie noch nicht so ganz klar war. Vergangenheit. Jetzt warten „die Medien“ darauf, dass erstmalig ein amtierender Oberbürgermeister – und zwar ihr spezieller Freund – vom Volk abgewählt wird.
Und wenn das – warum auch immer – nichts werden sollte, werden sie sauer sein. Alle miteinander. Sie glauben doch wohl nicht, dass diese Wulff-Affäre nur wegen eines Schiffsunfalls ausgestanden wäre?! Nein, den Wulff haben sie im Kopf. So wie sie den Sauerland im Kopf haben. Und sollten die Duisburger nicht gewillt oder nicht in der Lage sein, Herrn Sauerland in die Wüste zu schicken, wird es um das Ansehen Duisburgs bestellt sein. Tenor: jeder hat den Bürgermeister, den er verdient. Die werden so viel Dreck über Duisburg auskippen, dagegen wäre die bisherige Sauerland-Berichterstattung ein mildes Lüftchen.
Sagen Sie das den Leuten!