Duisburger Philharmoniker: Vokalisenleichtigkeit mit Gastidirigentin Karen Kamensek
Karen Kamensek legt Wert auf Präzision – dies haben die Musiker schon während der Proben zu Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“ erleben dürfen. Im 3. Philharmonischen Konzert begeisterte die Gastdirigentin unser Publikum mit einem außergewöhnlichen Programm und schon nach dem ersten Satz von Guldas „Konzert für Violoncello und Blasorchester“ gab es – ungewöhnlich für ein klassisches Konzert – Applaus.
Bleiben wir daher erstmal beim Gulda und der Frage: Kann dieser Wanderer zwischen Klassik und Jazz, dieser grandiose Interpret klassischer Klaviermusik dieses Konzert tatsächlich ernst gemeint haben? Dem Zuhörer beschleich da desöfteren ein leiser Zweifel, da die Hörerwartungen an ein Konzert hier auf den Kopf gestellt werden – im ersten Satz stehen sich ein Jazzthema und ein eher romantischeres abrupt gegenüber. Ausflüge in die Musikwelt des Musikantenstadels folgen hinreißend rhythmisch-spanische Abschnitte und das Finale klingt, als würde eine englische Marching-Band den Saal erobern wollen. Kann Gulda dieses Konzert, das dem Violincellisten höchste Konzentration abverlangt – die traditionelle Kaden ist auch eher ungewöhnlich, wie fast alles in diesem Werk – kann Gulda das Konzert wirklich ernst gemeint haben? Wie so oft in der Musikwelt kann man diese Frage nicht ausreichend beantworten. Geht es nach den Notizen zur Uraufführung des Werkes, dann hat Gulda tatsächlich alles so ernst gemeint wie es in den Noten steht. Allerdings darf man getrost annehmen, dass er des öfteren beim Komponieren herzlich gekichert haben mag.
Stichwort: Alpenidylle. Der Komponist, der den zweiten Teil des Abends füllte, hat zwar auch eine „Alpensymphonie“ geschrieben an diesem Abend ging es eher um die Auseinandersetzung mit Nietzsches „Also sprach Zarathustra“. Dabei ist Strauss Einleitung – der Aufgang der Sonne in den Bergen, womit wir zumindest wieder auf der Höhe sind – eines der bekanntesten Themen innerhalb der Science-Fiction-Kinogänger-Gemeinde. Wenn der SF-Fan ein klassisches Werk zu Hause hat, dann mit Sicherheit eine dieser Klassik-im-Film-Zusammenstellungen mit dieser bekannten Einleitung. Wobei Strauss‘ Tondichtung ja sehr viel mehr zu bieten halt als nur diesen grandiosen Anfang. So ist unter anderem das Fugenthema durchaus schon in die Nähe der Zwölftonmusik zu rücken, wenngleich das vermutlich auch nicht der Wille des Komponisten war. Doch die Noten lassen da einen Vorgriff deutlich erkenen. Ebenso ist das Werk reich an Klangfarben: Von der Solovioline über Solostreicher bis hin zum vollem Orchester ist alles erlaubt. Es ist erstaunlich, dass das Stück einen so unmittelbaren Zugang hat – die wenigsten dürften Nietzsches Buch kennen. Es ist mal wieder der Beweis dafür, Musik als wirkliche Sprache der Welt anzusehen.
Leicht und luftig wurde das Konzert dann mit Henzes „Das Vokaltuch der Kammesängerin Rosa Silber“ eröffnet. Ein Werk, das mit Strawinsky-Anklängen daherkommt, neoklassizistisch angehaucht, vokalisenartige Passagen im Orchester. Eine Vokalise ist ein sehr harmonisches Stück, bei dem die Sängerin nur einen oder mehrere Vokale singt. Ein „Lied ohne Worte“ also. Es gibt sehr berühmte Vokalisen im Repertoire der Konzerthäuser – und Strawinsky hat auch selbst etliche komponiert. Wenn Henze als bewußt diesen Komponisten anführt, bezieht sich die Hommage nicht nur auf die Stilart des Werks. Die leichte, luftige Instrumentierung, die die Vokalisen unterstützt, trägt noch ein Übriges dazu um dieses Stück sanglich zu gestalten. Ob Paul Klee, der das Bild schrieb, dass Henze hier musikalisch umsetzte, eine reale Rosa Silber oder ein Ideal vor Augen hatte wissen wir nicht. Was wir aber wissen: Henzes Werk ist tatsächlich ein Tuch – ein Tuch aus Klängen, das sich vor unseren Ohren entfaltet.