Sarrazin-TV mit Thea Dorn
Gut, ich gebe es zu. Bis heute habe ich das Sarrazin-Buch nicht gelesen. Ich werde es auch nicht lesen. Ich habe es noch nicht einmal gekauft. Ich glaube sowieso, wenn ich mehr Zeit zum Lesen hätte, würde ich etwas Anderes lesen. Vielleicht etwas von Thea Dorn, aber ich habe nun einmal keine Zeit. Jedenfalls nicht zum Lesen.
Zum Fernsehgucken schon. Unseren Flachbildschirm haben wir jetzt schon zwei Jahre. Der war gar nicht so billig; für das Geld würde man heute schon … – und dann noch jeden Monat die Gebühren. Da wäre man ja ganz schön blöde, wenn man auf die Gegenleistung verzichtete und sich stattdessen Bücher kaufen würde. Thea Dorn zum Beispiel gibt es auch im Fernsehen. Ja, am Donnerstag Abend, da war die bei Illner (Video).
Haben Sie zufällig noch Ihre Tageszeitung vom Donnerstag? Darin könnten Sie nämlich sehen, was thematisch eigentlich für die Sendung vorgesehen war. „Lizenz zum Abkassieren“ sollte das Thema heißen, und eingeladen waren die Herren Doktores med. Rösler, Lauterbach und Montgomery. Richtig: es sollte um Gesundheitspolitik gehen.
Gesundheitspolitik – klare Sache, so etwas sehe ich mir an. Weil ich nicht der Gesündeste unter der Sonne bin. Weil unsere Bundestagsabgeordnete sich schwerpunktmäßig mit Gesundheitspolitik befasst. Und weil ich es grundsätzlich gut finde, wenn im Fernsehen mal über die wirklichen Sorgen und Nöte der Menschen gesprochen wird.
Gut, ich gebe zu: Lauterbach gegen Rösler in einer Talkshow. Das hätte unterhaltsam werden können. Doch Pustekuchen, die Herrschaften wurden kurzfristig wieder ausgeladen. Denn urplötzlich ist ein Thema aufgetaucht, wegen dessen Aktualität der Gesundheitsfirlefanz weichen musste. „Sarrazins Erfolg – Versagen der Politik?“ lautete nun der Titel der Sendung, wie ich kurz nach dem Einschalten erfuhr.
Gut, ich gebe zu: auch ich habe mich – jedenfalls hier – häufiger zu diesem Sarrazin-Quatsch geäußert als zur Gesundheitspolitik. Sei´s drum. ",Märtyrer der Mitte´ oder rassistischer Hetzer?“ Die provokative Frage im Untertitel. Ich dachte, die Frage sei bereits beantwortet bzw. sie stelle sich – jedenfalls so – nicht (mehr). Schließlich konnten wir schon seit zwei Wochen verfolgen, wie ein rassistischer Hetzer zum „Märtyrer der Mitte“ aufgebaut worden ist. Doch Thea Dorn, die ich jetzt endlich auch einmal ein wenig kennenlernen durfte, sieht die Sache differenzierter.
Die Schriftstellerin und Philosophin differenziert zwischen Unsinn in Sarrazins Buch und Punkte, die sinnvoll seien. Nämlich die Ausführungen zur Integrationspolitik, und genau da müsse man "guten Willen zeigen". Mrs. Good-Will-Dorn meint es gut mit den Menschen, also mit den Menschen, deren Sorgen und Nöte es ernst zu nehmen gilt. Philosophisch gesehen ist es aber schon so, dass die Menschen guten Willens leider … Wie sagt man?
„Eine Gesellschaft, die … nur noch versucht, nett zu sein, wird sich langfristig wahrscheinlich wirklich selber abschaffen“, sagt Thea Dorn. Denn eine Gesellschaft, in der die Menschen – ob nett oder nicht – freiwillig ihr Geld dafür ausgeben, eine schriftstellernde Philosophin durchzufüttern, kann auf Dauer nicht auch noch gezwungen werden, nichts nutzende Kopftuchmädchen mit durchzufüttern. Wahrscheinlich.
Der SPD-Vorsitzende erhielt die Gelegenheit zu begründen – auch das ist Meinungsfreiheit -, warum seines Erachtens Herr Sarrazin in der SPD nichts mehr zu suchen habe. Der „Focus“ beginnt seinen Bericht so: „In einem viertelstündigen Solo darf SPD-Chef Sigmar Gabriel die Meinungsfreiheit preisen – und den Ausschluss des Parteimitglieds Sarrazin begründen.“ Die Financial Times Deutschland macht daraus: „Gabriel verspricht Sarrazin fairen Rauswurf“.
Es blieb dem „Spiegel“ vorbehalten, auf Gabriels Erläuterung hinzuweisen, „dass die SPD nicht identifiziert werden wolle mit Aufforderungen an den Staat, über Vererbung in die Bevölkerungsentwicklung einzugreifen. Sarrazin müsse im Zuge der Diskussion sagen, ob er ,diese Eugenikdebatte´ aufrechterhalte oder nicht“. Immerhin der „Spiegel“, der neben der Bildzeitung den Vorabdruck des rassehygienischen Pamphlets übernommen hatte, und dessen Chefredakteur auch in der Illner-Runde saß, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.
Dann saß da auch noch der gescheiterte bayrische Ministerpräsident Beckstein, der als CSU-Innenpolitiker den Hardliner gab, und schon vor Jahren die Unterscheidung zwischen „Ausländern, die uns nützen und Ausländern, die uns ausnützen“ in die Debatte einbrachte. Es ging ein wenig hin und her, doch das Schöne an der Sendung war: vernünftige Menschen können sich in wesentlichen punkten einig werden. Sogar mit Thea Dorn, deren neues Werk „Ach, Harmonistan: Deutsche Zustände“ in Kürze auf die Verkaufstische kommt.
„Deutschland dümpelt vor sich hin. Thea Dorn regt sich auf“, wird auf dem neuen Buch stehen. Ja, diese typisch deutsche Harmoniesoße lehnt Frau Dorn konsequent ab. Eine Streiterin wider den Harmonismus. Es sei denn – Ausnahmen bestätigen die Regel, alle machen sich ihre Lesart zu eigen. Und so geschah es – bei Maybrit Illner am Donnerstag Abend. Alle Diskutanten differenzierten zwischen dem Unsinn in Sarrazins Buch und den Punkten, die sinnvoll seien. Über die man diskutieren müsse, weil man die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehme.
Die Sorgen und Nöte der Menschen, gemeint der eingeborenen Menschen, gelten den Integrationsproblemen? Ja, wohnen die alle in Marxloh oder in Bruckhausen, in Kreuzberg oder Neukölln? Oder die anderen, die in ihren wohlstandsbürgerlichen „national befreiten Zonen“ ihren Vorgarten pflegen: plagt sie alle die Angst, dass ihnen beim nächsten Aufenthalt in der Stadt türkische Jugendliche ihr Handy abziehen könnten?
Oder ist es nicht vielmehr so, dass dieses, wie der Tagesspiegel titelt, „Volk von Angsthasen“ von massiven Abstiegsängsten heimgesucht wird, die es als „Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten“ (!) artikuliert. „Bei den Deutschen geht die Angst um“, schreibt die „Zeit“ über ihren Bericht über dieselbe Studie – die höchsten Angstwerte seit Jahrzehnten. German Angst – eine international geläufige Bezeichnung dieses dominierenden „Charakterzugs“ des Volks von Angsthasen.
Könnte es nicht sein, dass sie immer dann, wenn diesen Angsthasen so richtig die Düse geht, noch hässlicher und gehässiger werden als unter ihren normalen – ohnehin schon erhöhten – Angstwerten? Wie auch immer: das Volk hat gewählt. Nein, es wird keine neue Rechtspartei geben. Die Politiker der bisherigen Parteien werden die Menschen, also die Deutschen, fortan ernst nehmen und sich um deren tatsächliche Sorgen und Nöte kümmern. Nicht um die Finanzierung des Gesundheitssystem und den anderen abgehobenen Kram der dem Volk entfremdeten politischen Klasse.
Sich um die wirklichen Sorgen und Nöte der normalen Menschen, also der durchschnittlichen deutschen Angsthasen, kümmern, heißt: die Türken und all diese Muslime mit härterer Hand anfassen. Nicht mehr „nett sein“ wollen. Mehr verlangt man doch gar nicht.