Der Kommunismus kehrt zurück
Die SPD-Spitze will die Debatte um Rot-Rot-Grün eindämmen. Dem Tagesspiegel zufolge wies Andrea Nahles am Montag im Parteipräsidium darauf hin, „dass eine Fortsetzung der Diskussion nicht im Interesse der SPD liege.“ Schlimmer noch: sie sei sogar „nutzlos“.
Und wie so Nichtsnutze so sind: sie hört nicht einmal, was man ihr sagt, die Debatte, die Nutzlose. Vielmehr macht sie, was sie will. Da kann man nichts machen. Und bis zur Landtagswahl in NRW am 9. Mai wird sie auch nicht wieder verschwinden. Diese Nutzlose, die, an der die SPD kein Interesse hat.
Hoffentlich sind die Genossen folgsamer als dieses Nichtsnutz von Debatte und hören auf die Generalsekretärin! Nahles ist sich freilich auch in Klaren darüber, dass sie – und bis zum 9. Mai sowieso schon einmal nicht – zum Verschwinden verleitet werden kann. Und so bittet sie darum, zumindest die Genossen sollten „die Debatte über eine mögliche rot-rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen nicht länger durch ausführliche Stellungnahmen von außen befeuern.“
Mal abwarten. Immerhin sprach die Generalsekretärin damit den Sozialdemokraten an Rhein und Ruhr aus der Seele. Die waren nämlich die vielen Stimmen aus der Partei (-führung) zuvor, die die Nordrhein-Westfalen davor warnten, mit der Linkspartei zu koalieren, ziemlich leid. Von Johannes Rau stammt der Hinweis, dass Ratschläge manchmal Schläge sind.
Damit soll nicht gesagt sein, Johannes Rau wäre möglicherweise für Rot-Rot-Grün gewesen. Wie leicht werden Tote zu Opfern ihrer Interpreten?! Und doch ist die Vermutung nicht ganz von der Hand zu weisen, dass Rau wohl eher dagegen gewesen wäre. Gegen Rot-Rot-Grün, und erst recht gegen eine Debatte darüber.
Aber sie ist da: die Debatte. Sie ist schon allein deshalb nicht tot zu kriegen, weil die Variante Rot-Rot-Grün nach Lage der Dinge die einzige Alternative zu einem christdemokratischen Regierungschef ist. Und das nicht nur in NRW.
Deshalb hatte, um nur zwei Beispiele aus Duisburg zu zitieren, die xtranews-Redaktion – bereits vor der Bundestagswahl – angeregt, die Debatte über Rot-Rot-Grün zu führen. Und vorgestern hatte Thomas Meiser, ein Duisburger Kollege von den Ruhrbaronen, ein Bundesvorstandsmitglied der Linkspartei in einem Gastbeitrag zu Wort kommen lassen.
Und zwar Halina Wawzyniak; sie ist Berliner Bundestagsabgeordnete und will ein Bündnis junger Kräfte von SPD, Grünen und Linken schmieden. Es soll strategisch eine rot-rot-grüne Koalition vorbereiten.
Bis jetzt gibt es 46 Kommentare zum Beitrag von Frau Wawzyniak. Und falls man es noch nicht schon vorher ahnte, wird einem spätestens bei deren Lektüre klar, warum eine Fortsetzung der Diskussion nicht im Interesse der SPD liegt.
Denn in Deutschland reicht ein Hinweis auf die DDR, um allein schon das Nachdenken über die einzig mögliche Reformalternative zur CDU-Dominanz als kommunistische Gefahr zu denunzieren. Die Junge Union bemüht die Totalitarismustheorie, und auch aufgewecktere Geister halten den Hinweis für angebracht, dass die DDR keine Demokratie war.
Es wird zwar durchaus eingeräumt, dass eine rot-rot-grüne Regierung einen Kommunismus à la DDR gar nicht wieder einführen kann, womit jedoch unausgesprochen, aber implizit angedeutet wird, dass sie es möglicherweise will.
Dieser Unsinn wird verständlicherweise nicht näher ausgeführt. Denn sowohl die SPD als auch die Grünen sind mit dem Kommunismus-Verdacht kaum zu treffen. Und auch in der Linkspartei ist kaum jemand zu finden, der – wie letztes Jahr eine niedersächsische Landtagsabgeordnete – den Wunsch äußert, wieder in einer Stasi-Diktatur leben zu dürfen, damit es der Klassenfeind nicht ganz so doll treibt.
Selbst bei den westdeutschen Sektierern innerhalb der Partei findet dieser Traum wenig Anhänger. Bei den ostdeutschen „Realos“ überhaupt keine; nur muss man sich dort immer noch mit den Verstrickungen in den damals real existierenden Staatssicherdienst auseinandersetzen.
Kein Mensch nimmt an, dass mit Rot-Rot-Grün der Kommunismus zurückkehren werde. Und darum geht es auch gar nicht. Es geht um nichts Reales, es geht um Ideologie. Es geht um die Selbstdefinition des vermeintlich anständigen Deutschen. Und die geht etwa so:
Die Nazizeit war eine schlimme Sache, leider wahr. Und die haben wir nicht richtig aufgearbeitet, auch leider wahr. Das darf nicht noch einmal passieren. Deshalb werden wir jetzt die DDR richtig aufarbeiten. Denn die DDR – wer wollte dies bestreiten – war ja auch eine Diktatur und ein Unrechtsregime.
Und weil es sich nicht gehört, Nazis mitregieren zu lassen, gehört es sich genauso wenig, Kommunisten an die Macht zu hieven. Und deshalb dürfen SPD und Grüne mit der Linkspartei keine gemeinsame Sache machen. So einfach ist das alles, entweder Demokratie oder Diktatur, Freiheit oder Sozialismus.
Demokratie bedeutet Wechsel, den durch Wahlen bestimmten Wechsel der politischen Eliten. Den gab es in der DDR nicht; allein schon deshalb war die DDR eine Diktatur. Wir – und die Ostdeutschen seit zwanzig Jahren auch – leben in einer Demokratie. Die Herrschaften wechseln: mal sind die einen dran, mal die anderen.
Und wenn ab sofort immer nur noch die CDU dran sein sollte, ist das immer noch Demokratie. Denn vermutlich wird sie immer mal den Koalitionspartner wechseln müssen. Heute die FDP, morgen die Grünen, übermorgen wieder mal die SPD. Auch Demokratie, denn Demokratie bedeutet Wechsel