Bärbel Bas – Stichwort: Gesundheitspolitik
Gesundheitspolitik war einer der größten „Knackpunkte“ in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP. Das Ergebnis ist ein seltsames Gebräu aus Klarheit und Chaos.
Klar war bei Schwarz und Gelb von vornherein, dass es für die Arbeitgeber Kostenentlastungen geben soll und die Arbeitnehmer die absehbaren Ausgabensteigerungen im Gesundheitssystem allein schultern sollen. Der Arbeitgeberbeitrag von heute sieben Prozent des Bruttolohns soll fest bleiben. Erhöhen können die Kassen künftig nur den für Arbeitnehmer gegenwärtig einheitlichen Beitragssatz von 7,9 Prozent.
Das Chaos beginnt bei der Sprachregelung. Während Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler und sein Staatssekretär Daniel Bahr dies als Einstieg in den Ausstieg aus dem Gesundheitsfonds betrachten, betont Kanzleramtsminister Pofalla, der Gesundheitsfonds stehe nicht nur Disposition. Darüber hinaus pochen Rösler und Bahr auf die „einkommensunabhängige Prämie“, die wir nicht als das bezeichnen sollen, was sie ist: eine Kopfpauschale. Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder erklärt, eine „Kopfpauschale in reinster Form“ werde es nicht geben. Ob es die Kopfpauschale statt „in reinster Form“ in reiner Form oder nur in unreiner Form geben wird, müssen die Herren noch auskämpfen. Frau Merkel hat unterdessen vergessen, dass sie auf dem Leipziger CDU-Parteitag 2003 genau diese „Gesundheitsprämie“ ins
Parteiprogramm gestritten hat. Die Bundeskanzlerin signalisiert allerorten, gegen diesen Systemwechsel im Gesundheitssystem zu sein, aber lässt Rösler und Bahr jetzt erst einmal in Ruhe an die Arbeit gehen. Bloß nicht die eigenen Finger schmutzig machen.
Sollte das Chaos in der Regierungskommission weitergehen, können die beiden Herren sich die Pflegeversicherung vornehmen. Hier sind sich Union und FDP lange einig: „Als Ergänzung zur Umlagefinanzierung“ soll eine Kapitaldeckung als „zweite Säule“ in der Pflegeversicherung installiert werden. Anders als bei der Riester-Rente soll die private Pflegeversicherung verbindlich eingeführt werden. Für die Versicherungsgesellschaften wird dies bestimmt ein gutes Geschäft. Für die Menschen sieht das dann so aus wie bei der Kfz-Versicherung. Jede und jeder muss sich versichern; wie gut, bleibt der Zahlungsfähigkeit des Einzelnen überlassen. Freiheit à la FDP.
Es ist absehbar, dass Union und FDP versuchen werden, einen immer größeren Anteil der Pflegebeiträge zu den privaten Versicherungskonzernen zu verlagern. Zur Zeit gibt es etwa 2,25 Millionen Pflegebedürftige; diese Zahl wird deutlich steigen. Viele werden sich nur für den Pflichttarif entscheiden können und müssen hoffen, nicht zum Pflegefall zu werden.
„Mehr Netto vom Brutto“? – Den Arbeitnehmern wird die Pflege-Pflichtversicherung einen Strich durch die Rechnung machen. Profitieren wird das Klientel von CDU und FDP.
aus: BASis Info 2 / 2009