Erfolgreiche Standortpolitik; heute: Hermannstadt
Ein Gastkommentar von Dr. Werner Jurga, Sozialwissenschaftler in Duisburg
Weltwirtschaftskrise, Strukturkrise, steigende Massenarbeitslosigkeit – man kann es langsam nicht mehr hören. Hand auf´s Herz, geht Ihnen das nicht auch so? Warum sollen wir es uns nicht einmal gönnen, die Probleme Duisburgs – nur einmal für einen Moment – zu vergessen und uns stattdessen vorstellen, wie schön doch alles sein könnte? Verlassen wir also gedanklich – nur einmal! – Rhein und Aufruhr und schauen dorthin, wo es aufwärts geht, wo die Wirtschaft richtig brummt! Blicken wir also heute einmal nach
Hermannstadt
Wie bitte?! Sie wissen nicht, wo Hermannstadt liegt?! Gut, da sind wir bei Duisburgs (Wirtschafts-) Problem Nummer Eins: die (Allgemein-) Bildung. Machen Sie sich nichts draus; ich helfe Ihnen auf die Sprünge, indem ich Ihnen die Nachbarorte nenne: Heltau, Großau, Rothberg, Schellenberg, Großscheuern und Kleinscheuern. So, damit haben wir das schon einmal geklärt. Jetzt wissen Sie, wo Hermannstadt liegt.
Interessant auch (keine Panik, das müssen Sie nicht unbedingt wissen): das Stadtgebiet gliedert sich in folgende Viertel. In die Oberstadt und die Unterstadt, die zusammen die Altstadt bilden, das Goldtal, den Hippodrom I-IV, die Konradwiese und den Strand. Außerdem gehören die Dörfer Neppendorf und Hammersdorf als Vororte mit zur Stadt. Wie gesagt: das müssen Sie sich nicht unbedingt merken. Nur dass Sie mir ja nicht noch einmal Hermannstadt vergessen! Deshalb noch ein paar weitere Informationen:
Die Einwohnerzahl beträgt aktuell etwa 170.000. 12 % Prozent der Bevölkerung haben einen Hochschulabschluss, andere Quellen sprechen von 18 %. In Hermannstadt studieren mehr als 12.000 Studenten. Insgesamt gibt es 38 Fakultäten.
Die Arbeitslosenquote befindet sich unter dem Durchschnitt in der Region (4 %), nämlich bei unter 3 %. Mittlerweile herrscht Fachkräftemangel; die Gewerbegebiete der Stadt sind ausgelastet. Allgemein ist die Stadt innerhalb nur weniger Jahre zu eines der wirtschaftlich prosperierendsten Zentren des ganzen Landes aufgestiegen und gehört zu den Städten mit den höchsten Einkommen im Lande. Der Sog der Stadt ist mittlerweile so groß, dass keine verbilligten Grundstücke u.ä. mehr an Investoren abgegeben. Die Verwaltung hilft jedoch nach wie vor tatkräftig bei Erschließung und Genehmigungsverfahren.
Unter anderem sind in Hermannstadt folgende Unternehmen vertreten, die sich im Gewerbegebiet „West“ in unmittelbarer Nähe des Flughafens angesiedelt haben:
• Bramac-Gruppe, der österreichische Hersteller von Dachsteinen eröffnete am 15. September 2004 nach siebenmonatiger Bauzeit eine Produktionsstätte in der Stadt.
• Die Firma Continental mit einem Produktionsstandort: Am 22. Juli 2004 wurde eine neue Fabrik für Türsteuergeräte in Betrieb genommen, die Grundsteinlegung erfolgte im September 2003. Es entstehen insgesamt 216 Arbeitsplätze, davon 135 für Entwicklungsingenieure.
• Die Firma Marquardt Systems besitzt seit 2006 einen Fertigungsstandort mit einer Gesamtfläche für Produktion und Verwaltung von ca. 6.800 m² in Hermannstadt.
• Greiner-Gruppe, Verpackungsspezialist aus Österreich.
• Siemens AG mit derzeit drei Werken (Simea, Siemens Electrical Installation Technologie, Sykatec), in denen elektromechanische Bauteile, Metallbauteile und elektronische Baugruppen hergestellt werden. Zurzeit arbeiten ca. 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hermannstadt für Siemens. Im Lauf der nächsten Jahre sollen mehr als 800 Arbeitsplätze geschaffen werden.
• Thyssen Krupp Bilstein mit derzeit 1800 Mitarbeitern (Automobilzulieferindustrie).
• Die Firma Wienerberger als weltgrößter Ziegelhersteller mit der Übernahme und Optimierung eines Ziegelwerks: Im März 2004 gab man bekannt, dass man dafür 9 Millionen Euro in den Standort investieren will.
• Metro mit einem großen Cash&Carry-Markt.
• Die Offsetdruckerei Schwarzach mit ihren rumänischen Töchtern Transilvania Pack & Print und Transilvania Microflute.
Außerdem finden sich Filialen diverser anderer österreichischer bzw. deutscher Unternehmen in der Stadt (BauMax, Plus, Real, Raiffeisenbank, HVB, Kaufland, Praktiker, Penny Markt u.a.). Weiter ist Hermannstadt der Sitz der Hermannstädter Börse und des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen (DWS).
Siebenbürgen, das sagt Ihnen doch etwas? Richtig: Transsylvanien. Rumänien. Und weil 95 Prozent der Einwohner Hermannstadts ethnische Rumänen sind, hat die Stadt auch einen rumänischen Namen: Sibiu. Auch heißt hier, man kann auch den deutschen Namen benutzen, ohne in Verdacht zu geraten, von den Ergebnissen des Zweiten Weltkriegs enttäuscht zu sein. Das hier abgebildete Ortsschild mag dies verdeutlichen.
Die Kommunalwahlen 2004 und 2008 haben Bürgermeister Klaus Johannis und sein Demokratisches Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) haushoch gewonnen, obwohl heute nur noch 1,6 % der Bevölkerung ethnische Deutsche sind.
Nun hat NRW-Ministerpräsident Dr. Rüttgers mit der Ansicht von sich reden gemacht, die Kapitalisten investierten allein wegen der geringen Kosten in Rumänien und übersähen in ihrer grenzenlosen Profitgier, dass die Rumänen, dumm und faul, wie sie nun einmal seien, im Grunde zu nichts zu gebrauchen seien. Es liegt nahe, dass wenn die Manager – von dieser Erfahrung enttäuscht – alsbald mit dem Kapital nach NRW zurückkehrten.
Na, dann wäre es ja gut. Auf der o.g. Investorenliste von Sibiu / Hermannstadt fehlt übrigens Nokia. Für die Finnen war einfach kein Platz mehr in Hermannstadt; sie mussten abgewiesen werden und sind jetzt in Klausenburg (Cluj-Napoca).
Die Informationen zu Sibiu / Hermannstadt habe ich Wikipedia entnommen; dort erfahren sie noch einiges mehr über Europas Kulturhauptstadt 2007.