Duisburg Hotel am Grunewald – Nachbarn erinnern sich
Wie ein Tresor hütet das Hotel Grunewald bereits seit Jahrzehnte Geheimnisse. Bekannt war nur, das das Hotel zuletzt einer älteren Dame gehörte. Diese verstarb vor einigen Wochen. Seitdem sieht man an diesem Ort wieder Menschen ein und aus gehen. Misstrauisch beobachten die Anwohner das Treiben. „Unmengen blauer Müllsäcke lagerten auf dem großen Parkplatz“, sagte uns eine besorgte Nachbarin. Schon seit langer Zeit sei man es nicht mehr gewohnt, das sich dort Menschen aufhalten. Die letzten 17 Jahre sei es immer nur eine Person gewesen. Die Besitzerin, die sich nicht mehr selbst vor die Tür wagte, da sie es sich nicht mehr alleine zutraute.
„Über 60 Jahre war sie im Besitz des Hotels“, sagt die Anwohnerin. Nun scheint ein wenig Licht ins Dunkel zu kommen. Die Besitzerin soll Zeit ihres Lebens das Hotel mit ihrem Mann geführt haben. Die Ehe blieb kinderlos, deshalb arbeitete sie Tag und Nacht. Sogar noch über den Tod des Mannes hinaus. Suizid soll er begangen haben, so sagt man. Ein Thema, über das man nicht gerne in der Nachbarschaft spricht. Niemand in ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis vermochte das Thema ansprechen. Schon nicht die alte Dame. Der Mantel des Schweigens wurde darüber gelegt.
Streitbar soll sie auch in der Ehe gewesen sein. Ein Anwohner verriet uns, das er ein sehr gutes Verhältnis zum Mann hatte. Er sei ein herzensguter Mensch gewesen sein. Seine Frau das Gegenteil. Man erinnere sich zurück, das man gemeinsam die Treppe zum Hotel reparierte. Da sich der Besitzer nicht das handwerkliche Geschick besaß, half der Nachbar tatkräftig mit. Aus dem Fenster soll sie einst gerufen haben: „Und wehe du zahlst ihn dafür aus.“ – Viele kannten sie nicht anders. „Der Mann war begeisterter MSV-Fan. Ich bin damals oft mit ihm zum Stadion rüber. Wie jetzt gerade die Fans hier. Auch das hat ihr nie gepasst. Das hat uns beide aber nie interessiert“, schwelgt der ältere Herr in Erinnerungen und beobachtet die Fans, die gerade auf dem Weg zum Stadion sind, da heute Energie Cottbus zu Gast ist.
Sie soll sehr in sich gekehrt gewesen sein, traute niemandem. Nicht mal dem Personal, das sie einst im Hause beschäftigte. „Den Zimmermädchen soll sie ständig auf die Finger gesehen haben“, so berichtete man uns. „Tafelsilber für über 200 Gäste gehörte wohl einst zum Inventar. Man hatte Angst, das man einen Löffel stehlen würde“. Das Hotel soll von innen traumhaft sein. Schon der Eingangsbereich soll einem den Atem verschlagen. Antiquitäten so weit das Auge reiche, ein komplett mit Marmor ausgelassener Boden, schwärmt man. Die Zeit soll sei seit Jahrzehnten still stehen im Haus. „Solche Möbel bekommen sie nirgendwo mehr“, erzählte man uns mit einem Funkeln in den Augen.
Der Betrieb des Hotels wurde nach Angaben bis 1998 fortgesetzt. Die Besitzerin selbst gab den Gästen keine Schlüssel zum Außenbereich. Es wurde erwartet, das die Gäste bis spätestens 22 Uhr wieder ins Hotel einkehren. Hin und wieder machte sie auch Ausnahmen. Wenn es mal vier oder fünf Uhr in der Nacht wurde, unterbrach sie ihren Schlaf um den Gästen die Türe zu öffnen. Auch dabei soll sie dann immer motzig gewesen sein.
Und plötzlich öffnete sich die Türe nicht mehr. Gäste wurden nicht mehr empfangen. Aus den oberen Fenstern drang kein Licht mehr in die Dunkelheit heraus. „Einen Unfall hatte sie. Danach konnte sie den Betrieb nicht mehr fortsetzen“, teilte man uns mit. Aus diesem Grund lebte sie nur noch im unteren Bereich des Hotels, wurden die Türen verschlossen gehalten. Anfangs erhielt die Besitzerin noch Hilfe aus der Nachbarschaft. „Sie rief oft an, wenn sie was brauchte. Und wir saßen oft zusammen und tranken das ein oder andere Gläschen Sekt zusammen. Hin und wieder konnte man auch mit ihr lachen“, verriet mir eine Nachbarin. Von früheren Zeiten habe sie nicht viel erzählt. Auf Fragen, die persönlich wurden, habe sie nie reagiert. Doch auch hier brach dann irgendwann der Kontakt ab. Die einzigen Personen, die sie bis zuletzt an sich heran ließ, waren eine Haushaltshilfe und die Pflegerin. Familie soll es wohl geben. Sie bekam oft Besuch aus Leipzig. Doch auch dies ebbte mit der Zeit zunehmenst ab. Neffen soll sie wohl gehabt haben. Auf die Frage, wo sie denn seien, wurde nur geantwortet: „Ach, mir doch egal. Sind doch eh alle Erbschleicher.“
Das Hotel selbst hat sie nie aus den Händen gegeben. Bis zu ihrem Tode hin nicht. Obwohl sich zahlreiche Interessenten meldeten. „Es gab nur einen Interessenten, dem sie den Zuschlag hätte geben wollen. Ihrem Steuerberater. Doch der Preis, den sie für das Hotel verlangte war zu hoch“, so die Anwohner.
Laut Angaben soll das Hotel nicht der Abrissbirne zum Opfer fallen. Vor Ort waren Gutachter, die sich über den Zustand des Hotels ein Bild gemacht haben. Die Substanz sei in Ordnung. Allerdings habe man das Haus seit 20 Jahren vernachlässigt. Sollte sich ein neuer Eigentümer finden, so muss dieser schon bereit sein, einiges zu investieren. Eine „Spardose“ nannte man die Immobilie. Doch es soll sich lohnen das geschichtsträchtige Gemäuer zu erhalten. Doch da das Hotel nach Angaben angeblich unter den Denkmalschutz falle, muss man sich an gewisse baurechtliche Ordnungen halten. Da kann man nur darauf hoffen, das das Objekt tatsächlich in liebevolle Hände fällt, die den Wert dieses „Schmuckkästchen´s“ zu schätzen wissen.