Lokaljournalismus: Am Ende oder im Aufwind?
Lokalzeitungen stehen seit Jahren unter einem enormen Druck. Und der hat Folgen: Die Redaktion der Westfälischen Rundschau wurde entlassen, die Nürnberger Abendzeitung eingestellt, die Frankfurter Rundschau sowieso, die Augsburger Allgemeine ist auf Sparkurs, ebenso der Berliner Verlag. Der Boulevard nennt so was “Horrornachrichten”, dabei sind diese Meldungen erst der Anfang vom Ende. Danach aber werden viele wieder neu anfangen.
Von Hardy Prothmann
Uli Hoeneß war als mutmaßlicher Steuersünder aktuell ein Top-Thema. Der Focus hat die Story über dessen vermutlich unversteuerte Millionen Euro zuerst gebracht – die Tegernseer Stimme (TS) zog sofort nach, weil deren Artikel schon zwei Wochen vor der Veröffentlichung bei Focus fertig war, aber die letzte sichere Quelle fehlte, um das Thema rund zu bekommen. Die Bild am Sonntag stellte aktuell in einer Übersicht die Entwicklung der Steueraffäre dar und nannte die TS als eines der entscheidenden Medien neben dem Focus und der Münchner Abendzeitung.
Die Tegernseer Stimme? Ein Lokalblog im südlichen Bayern, das erst vor drei Jahren startete? Die Affäre Hoeneß war bundesweit Thema, doch sie ist lokaljournalistisch verwurzelt. Wie fast jedes Thema, jeder Skandal, jede brisante Geschichte – lokal ist überall da, wo die Menschen leben, und am Tegernsee leben viele Prominente. Auch vom Tod des Metro-Gründers Otto Beisheim hatte die TS als eine der ersten Redaktionen exklusiv berichtet.
Lokaljournalismus ist bisher ganz überwiegend von Zeitungen gemacht worden. Klar, es gibt auch Lokalradios und hier und da Lokalfernsehen, aber das Lokale war und ist eine Sache der Zeitung. Das verändert sich jedoch zusehends, denn der Lokaljournalismus der Zukunft wird ganz überwiegend im Internet stattfinden. Daran führt kein Weg mehr vorbei, so sehr sich das manche Ewiggestrige auch wünschen.
Der Lokaljournalismus der Zukunft kann immer noch eine Sache von Zeitungsverlagen sein – aber nur, wenn auch hochwertige Inhalte geschaffen werden. Und die kommen von Journalisten. Statt hier zu investieren, sparen Manager Redaktionen kaputt oder schließen sie gleich wie in Dortmund. Damit gestehen Zeitungsmanager nur ein, dass sie zu spät, zu ideenlos, zu wenig unternehmerisch agiert und die Veränderungen falsch eingeschätzt haben. Abschließen kann jeder, weiterentwickeln und zukunftsfähig machen – dafür braucht es kluge Köpfe, die die harte Herausforderung anpacken wollen und nicht nur auf Controller-Zahlen schauen und eine möglichst zweistellige Umsatzrendite im Kopf haben.
Auf der anderen Seite gibt es Gewerkschaften, die einerseits beklagen, dass komplette Redaktionen rausgeworfen werden und gleichzeitig – wie jüngst in Bayern – 5,5 Prozent mehr Lohn fordern. Für Lokaljournalisten, die sich Jahr für Jahr ihre tarifvertraglich-geregelte Besoldungsgruppe ersitzen, überwiegend Termin- und Bratwurstjournalismus machen.
Und das nach einem bewährten System. Jahr für Jahr, Monat für Monat, Tag für Tag wird ein Großteil der Artikel recycelt: Ob Kirmes, Sommerfest oder Vereinssitzung. Dann sind die „Wettergötter den Gästen gnädig, kühler Gerstensäfte fließt in durstige Kehlen und die Luft ist erfüllt vom Duft leckerer Bratwürste. Dazwischen passiert mal ein Unfall, ein Feuer bricht aus, eine Demo findet statt – Business as usual.
Die Themen bestimmen Gemeinden, Vereine, Behörden, Verbände. Pressekonferenz hier, Info-Abend dort, Hauptversammlung am Wochenende. Die Lokaljournalisten rennen hin, futtern Schnittchen und sitzen den wichtigen Lauten auf dem Schoss. Das ist kein hochwertiger Lokaljournalismus. Das Agenda-Setting verkommt zum Termine absitzen.
Und wenn Städte wie das baden-Württembergische Weinheim einen ehemaligen Journalisten als Pressesprecher beschäftigen, der sehr agil mit neuen Medien umgeht, postet dieser das Foto aus der Sitzung plus Pressemitteilung schneller als jedes Medium. Jetzt könnte man aufschreien und sich aufregen wie die die Mitglieder der Bundespressekonferenz (BPK), die fassungslos waren, als Bunka-Sprecher Steffen Seibert irgendwas zur Kanzlerin getwittert hatte und erst danach die BPK informierte. Darf der das? Er darf und er macht es.
Man kann es auch machen wie Joachim Braun, der Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers. Dann eignet man sich Analysen von anderen an, erzählt Dinge, die schon Jahre alt …Lesen Sie weiter in der neuen Magazin-Ausgabe