Heftige Facebook-Debatte um das Unglück im Kölner Zoo
Nach dem tragischen Tod einer Tierpflegerin im Kölner Zoo schlagen derzeit die Wellen auf der Facebookseite des Zoos hoch. Heftig, zum Teil auch auf unterirdischem Niveau, debattiert die Netzwelt über die Umstände dieses tragischen Ereignisses und warum Zoodirektor Theo Pagel den Tiger mit einem finalen Schuß töten musste. Die Tierpflegerin Ruth K. wurde vom Tiger angegriffen und verstarb aufgrund der massiven Halsverletzungen noch am Unglücksort. Mittlerweile reagiert der Kölner Zoo (*) auf zum Teil strafrechtlich relevante Kommentare und droht damit die Polizei einzuschalten.
Die Umstände des Unfallherganges sind noch nicht endgültig klar. Dennoch scheint es für viele Facebookuser eindeutig zu sein, dass die Tierpflegerin durch einen eigenen Fehler dieses Drama herbeigeführt hat. Das Tier habe eben seinem Instinkt entsprechend die Frau angegriffen, als diese sein „Territorium“ betreten hatte. Die Raubkatze quasi mit dem Tode zu bestrafen, nur weil sie ihrem Trieb nachkam, empfinden viele aufgebrachte Tierschützer als völlig inakzeptabel. Dabei blenden die teils erschreckend argumentierenden „Tierschützer“ völlig aus, dass Frau K. zu diesem Zeitpunkt noch schwerverletzt vor dem Raubtier lag. Zu diesem Zeitpunkt war weder eine ärztliche Versorgung möglich, noch eine räumliche Trennung des Tigers von seinem Opfer. Zoodirektor Pagel blieb, auch nach Rücksprache mit der polizeilichen Einsatzleitung, gar keine andere Möglichkeit, als das Tier zu erschiessen, wollte er das Leben seiner Mitarbeiterin retten. Für die Frau kam allerdings jede Hilfe zu spät. Sie starb an dem Ort, an dem sie jahrelang als Tierpflegerin gearbeitet hatte.
Die Facebook-Debatte erregt sich daher besonders über den Punkt, ob man das Tier nicht auch hätte betäuben können. Auch hier blenden die Befürworter einer Betäubung trotz besseren Wissens aus, dass dies in dieser besonderen Situation völlig falsch gewesen wäre. Bis das Narkotikum bei einem Tier dieser Größe gewirkt hätte, wären entscheidende Minuten vergangen. Minuten, in dem das Opfer höchstwahrscheinlich verblutet oder erneut attackiert worden wäre. Zudem hätte der Betäubungspfeil sehr gezielt eingesetzt werden müssen, um erstens das Tier nicht noch zusätzlich in Aufregung zu versetzen, und zweitens um das Betäubungsmittel schnellstens in die Blutbahn des Tigers zu applizieren, sodass es zügig zu einem Wirkungseintritt kommt.
Der Zoodirektor konnte gar nicht anders handeln, als er gehandelt hat. Das Leben seiner Kollegin war in diesem Fall das höhere Gut. Auch wenn das viele Facebookuser anders sehen und zum Teil erschreckende Statements auf der Seite des Kölner Zoos dazu abgeben. Wobei die Diskussion um eine wie auch immer gelagerte „Schuldfrage“ der Tierpflegerin heftig entbrannt ist. Das sich eine solche Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt nicht nur aus moralischen Gründen verbietet, hält dennoch leider viele nicht davon ab, ihre Meinung dazu kund zu tun. Man mag es nicht glauben, dass Tierschützer, oder solche die dies von sich behaupten, zu derart inhumanen Statements fähig sind. Das Ruth K. ihren vermeintlichen Fehler mit dem Tode bezahlt hat, wird, da es der Argumentation von „echter Tierliebe“ entgegensteht, völlig ausgeblendet.
Der Tod der Tierpflegerin wirft aber auch ernst zunehmende Fragen auf dahingehend, wie wir es in der westlichen Welt, also auch in unserem Lande, mit dem Tierschutz und der artgerechten Haltung der verschiedensten Tierarten, halten. Die Kritik ist durchaus berechtigt. Und es wäre wünschenswert, wenn sich aus dem Unglück von Köln daraus gezielte Debatten ergeben würden. Selbstverständlich auch über Sinnhaftigkeit von Tierparks und Zoos. Aber auch darüber, ob Zirkusunternehmen nicht auf Tiershows jeder Art verzichten können. Können wir überhaupt Wildtiere artgerecht unterbringen und halten? Dieses und mehr wird in Zukunft zu diskutieren sein. Das sich die Facebookdebatte nun am tragischen Fall der Kölner Tierpflegerin derart erhitzt, zeigt auch den großen Bedarf am Austausch von Argumenten in dieser Thematik. Aber auch die Fragen der Sicherheit in Gehegen von Raubtieren müssen debattiert werden. Letztendlich aber ist es wohl nie in Gänze zu vermeiden, dass solche Unglücke beim Umgang mit Wildtieren passieren werden. Der Faktor Mensch setzt dabei immer die Grenzen.
Zoodirektor Pagel, den nun viele als „Großwildjäger“ denunzieren, sprach am Unglückstag davon, den schwärzesten Tag seines Lebens erlebt zu haben. Er hatte eine Entscheidung zu treffen. Eine sehr schwere. Es gab für ihn nichts abzuwägen. Das Leben der Frau im Tigerkäfig hatte höchste Priorität. Pagel musste den Tiger erschiessen, wollte er das Leben seiner Mitarbeiterin retten. Welch Diskussion hätte es wohl gegeben, wenn er anders entschieden hätte, um das Leben des Tieres zu erhalten und seine Mitarbeiterin an Ort und Stelle verblutet wäre? Das der Biologe leichtfertig die Raubkatze erschoss mögen auch nur die glauben, die nichts verstehen wollen, bzw., die andere Meinungen nicht gelten lassen. Wie auch immer, der Direktor stand vor einer schweren Entscheidung und es ist in höchstem Maße unfair und unmoralisch, ihn für seine Entscheidung derart anzuprangern. Was dazu einige User auf Facebook schreiben, sprengt einfach den Rahmen des Erträglichen. Es gipfelt bereits so weit darin, die private Adresse des Zoodirektors zu veröffentlichen.
Am Ende des Tages hatte der Kölner Zoo zweifach Anlass zum Trauern. Um die 43-jährige Tierpflegerin und um ein wunderschönes Tier, einen sibirischen Tiger. Hieraus sind ganz sicher Lehren zu ziehen. Lehren für Mensch und Tier. Darüber sollten wir diskutieren. Aber nicht auf Facebookniveau!
Aktiver und sinnvoller Tierschutz geht vom Menschen aus. Aber Menschen, die wenig Achtung vor dem Leben oder Sterben anderer Menschen zeigen und dies auch zum Ausdruck bringen, vermögen dem Tierschutz eher zu schaden als zu nutzen.
(*) Nachtrag 19:00 Uhr: Offensichtlich ist die Facebook-Seite des Kölner Zoos vom Netz genommen worden!