Hat der FC Bayern Erfolg auf Kosten der anderen?
Ist es nicht schön, sich die Spiele des FC Bayern anzuschauen? Dort wird einem Traumfußball von einer Traumelf geboten. Ligakonkurrenten würden Jubelsprünge machen, wenn sie nur einen einzigen dieser Traumkicker in ihren eigenen Reihen hätten. Ein Normalsterblicher ist oft nicht mal in der Lage, eine dieser galaktischen Ablösesummen auf einem Stück Papier auszuschreiben. Er oder sie müsste wahrscheinlich ein halbes Jahrtausend arbeiten gehen, um einen solchen Geldbetrag auf dem Konto zu haben. Oder er oder sie müsste gleich zwölf Banken überfallen. Und dann all die Pokale und Trophäen in den Vitrinen des Klubs an der Isar.
Da fragt man sich doch als Normalsterblicher: Wie ist es möglich, dass ein Verein wie der FC Bayern München einen solchen Erfolg haben kann? Naheliegend wäre natürlich, dass der FC Bayern nicht nur Traumkicker auf dem Platz, sondern auch Finanzgenies in der Geschäftsführung sitzen haben, die klüger und besser sind als die der anderen Klubs und es darum schaffen, dass der FC Bayern finanziell besser da steht als Konkurrenten und aus diesem Grunde auch viel bessere Spieler verpflichten kann.
Aber ist das wirklich so? Möglich ist es. Aber eine andere Hypothese ist viel nahe liegender. Nämlich die Vermutung, dass der FC Bayern Erfolg auf Kosten der anderen hat. Das geht ganz einfach: Der FC Bayern lockt junge Talente mit großen Gehältern an, kauft sie ihren (meist kleinen) Vereinen ab, lässt sie auf der Bank schmoren und gibt sie dann wieder an einen anderen Klub ab – aber erst dann, wenn sie kaum noch jemand kennt und ihre Leistung einem Jungtalent längst nicht mehr entsprechen.
Dafür gibt es einige Beispiele. Zwei davon sind diese:
Beispiel 1: Tobias Rau. Ein junges Talent beim Bundesligisten VfL Wolfsburg, das sehr schnell zum Nationalspieler heranwuchs. Er gab im Februar 2003 unter Rudi Völler sehr schnell sein Länderspieldebut. Noch im selben Jahr wurde er vom FC Bayern verpflichtet. Aber dort gelang ihm der Durchbruch nicht. Gegen den aus Frankreich kommenden Weltmeister Bixente Lizarazu konnte er sich auf der linken Verteidigerposition nicht durchsetzen. Außerdem kamen ihm mehrere Verletzungen in die Quere. So wechselte er in der Saison 2005/2006 zu Arminia Bielefeld. Auch dort konnte er nicht mehr wirklich auf sich aufmerksam machen. Schließlich beendete Rau im Alter von gerade einmal 27 Jahren seine Profikarriere. Heute studiert er auf Lehramt an der Universität Bielefeld.
Beispiel 2: Jan Schlaudraff. Schlaudraff kam von Borussia Mönchengladbach zu Alemannia Aachen. Dort schaffte er den Durchbruch und spielte mit der Alemannia in der Saison 2006/2007 in der Ersten Bundesliga. Auf Grund seiner überragenden Leistungen, seiner vielen Tore und seiner Nominierungen in die A-Nationalmannschaft wurde Bayern München schnell auf ihn aufmerksam. Schon ein knappes halbes Jahr vor Saisonende unterschrieb Schlaudraff einen Vertrag beim Rekordmeister. Die Aachener Alemannia wurde mit schlappen 1,2 Mio. Euro abgespeist. Was folgte, war eine Rückserie, bei der Jan Schlaudraff auf dem Platz ausschließlich physisch anwesend war. Nicht umsonst wurde er vom damaligen Alemannia-Coach Michael Frontzeck wegen „disziplinarischer Verfehlungen und mangelndem Trainingseinsatz“ nicht mehr eingesetzt. Und wie lief es dann beim „großen“ FC Bayern? Schlaudraff hatte dort gerade einmal acht Bundesliga- und fünf Regionalliga-Einsätze, verdiente sein Geld also meistens nur für das Sitzen auf der Bank und Tribüne. Letztlich wurde er nach einem Jahr an Ligakonkurrent Hannover 96 für geschätzte 2,5 Mio. Euro verkauft. Kennt man ihn jetzt noch? Wahrscheinlich nicht. Höchstens der eingefleischte Fußballfan, der beim Studieren des Sportteils auch darauf achtet, wer bei den Niedersachsen noch in der zweiten Minute der Nachspielzeit eingewechselt worden ist.
Ein schönes Konzept: Der Konkurrenz kauft man talentierte Nachwuchskräfte weg und verkauft sie daraufhin weiter und macht dabei auch noch (wie im Falle des Jan Schlaudraffs) wirtschaftlich gesehen einen Gewinn.Macht es da überhaupt Spaß, Fan des FC Bayern zu sein? Das können nur die Fans selbst beantworten. Aber wenn man dem Bochumer Kabarettisten Frank Goosen glauben mag, sind die Fans des FC Bayern keine Fans, sondern lediglich Zuschauer. Goosen sagt nämlich: „Man muss die Täler durchschritten haben, um die Gipfel wirklich schätzen zu können.“ Und das kann man bei den Bayern nun wirklich nicht miterleben.
*Gastkommentar von Tim C. Schmitz, Stolberg