Loveparade: Ein Brief an Herrn Wörmann
wie ich soeben der Rheinischen Post / rp-online entnehmen konnte, haben Sie als Geschäftsführer der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) Duisburg eine Stellungnahme zum Unglück bei der Loveparade abgegeben.
Darin schreiben Sie – laut RP:
http://www.rp-online.de/niederrheinnord/duisburg/nachrichten/KAB-Besonnenheit-und-schnelle-Aufklaerung_aid_896085.html
„Die Suche nach den Verantwortlichen, die Frage nach den Schuldigen, darf nicht dazu führen, dass ohne abschließende Untersuchungsergebnisse der DGB und andere politische Verantwortungsträger immer wieder öffentlich im Oberbürgermeister den Sündenbock suchen. (…) Dies gleicht einer öffentlichen Steinigung nicht nur des Oberbürgermeisters, sondern aller Verwaltungsmitarbeiter und trägt zu einer Verunglimpfung unserer Stadt und seiner Bürger bei.“
Ich will an dieser Stelle einmal außer Acht lassen, dass Sie die KAB als Konkurrenzorganisation zum DGB zu vertreten haben und als CDU-Ratsherr den Standpunkt Ihrer Fraktion in Abgrenzung zu „anderen politischen Verantwortungsträgern“ meinen einnehmen zu müssen, obgleich ich mein Bedauern darüber, dass das Leid vom 24. Juli in die altbekannten parteipolitischen Mühlen gerät, nur schwer verhehlen kann. Sei´s drum. Folglich gehe ich davon aus, dass Sie es auch in dieses Schema einordnen werden, dass ich – ein SPD-Mitglied – Herrn Sauerland nicht nur für den ganz zweifellos politisch Verantwortlichen halte, sondern auch Ihr Wort vom „Sündenbock“ in Bezug auf Herrn Sauerland für verfehlt halte.
Das letzte Wort über die Schuld und die Schuldigen, über die Schuldanteile und deren „Verteilung“ auf einzelne Personen wird ein Gericht zu sprechen haben. So lange gilt für alle Verdächtigen, auch für Herrn Sauerland, die Unschuldsvermutung. Dadurch wird jedoch das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht außer Kraft gesetzt. Man mag dieses nun seit Wochen laufende Schwarze-Peter-Spiel für unwürdig halten. Politischen Verantwortungsträgern, aber auch Privatpersonen wie mir zum Beispiel steht es nichtsdestotrotz frei, ihre Meinung, dass Herr Sauerland ein gerüttelt Maß an Schuld an der Katastrophe trägt, zu äußern.
Sie wissen das, Herr Wörmann. Und weil Sie juristisch diese Ihnen unpässliche Meinung nicht verbieten lassen können, versuchen Sie, sie auf eine ganz unerträgliche Weise zu denunzieren. Sie gleiche einer öffentlichen Steinigung des Oberbürgermeisters, erklären Sie und bezichtigen damit nicht nur Ihre politischen Gegner grausamen Unrechts, sondern auch die Vielzahl der Menschen – darunter auch ein Großteil Ihrer Wähler wie der Wähler Ihrer Partei -, die aus guten Gründen annehmen, dass sich Herr Sauerland schuldig gemacht hat.
Sie sagen dies in einer Atmosphäre, in der tatsächlich allerorten in unserer Stadt nach mittelalterlicher Lynchjustiz gegen Herrn Sauerland gerufen wird. Dafür nun diejenigen verantwortlich zu machen, die mit sachlichen Argumenten und unter Hinweis auf die bislang bekannten Fakten Herrn Sauerland beschuldigen, fehlt mir jegliches Verständnis. Haben Sie sich einmal überlegt, Herr Wörmann, was in Duisburg passiert wäre, wenn – wie von Ihnen scheinbar erwünscht – sowohl alle politischen Verantwortungsträger als auch alle Gewerkschafter, sowohl Journalisten als auch Blogger Herrn Sauerland unter Verweis auf die noch nötige Aufklärung von jeglicher Kritik ausgenommen hätten?!
Offenbar nicht. Stattdessen erklären Sie, die Kritik an Herrn Sauerland gleiche einer öffentlichen Steinigung – wohl wissend, welches Bild Sie damit gewählt haben. Ich gehe eigentlich davon aus, dass Ihnen bekannt sein müsste, dass die Steinigung auch heute noch in einer ganzen Reihe islamischer Länder eine – insbesondere für Frauen – übliche Hinrichtungsmethode ist. Wissen Sie, dass es nicht auszuschließen ist, dass Angehörige der ihrer Steinigung entgegen Sehenden von Ihrer Äußerung erfahren, weil sie gerade von Europa aus einen verzweifelten Kampf um das Leben ihrer totgeweihten Verwandten führen? Sind Sie sich im Klaren darüber, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die meisten Eltern der am 24. Juli in Duisburg Umgekommenen von Ihrer Erklärung erfahren werden? Glauben Sie nicht auch, dass vor allem Sie es sind – Ihre Fraktion, Ihr Oberbürgermeister, Ihre Politik -, die zu einer Verunglimpfung unserer Stadt und seiner Bürger beitragen?
Gruß
Werner Jurga
Foto: Stadt Duisburg